FRANKFURT (dpa-AFX) - Das Wohl und Wehe am zuletzt stabilisierten deutschen Aktienmarkt wird in den kommenden Tagen wohl stark von der Europäischen Zentralbank (EZB) abhängen. Experten zufolge wird diese auf ihrer Sitzung am Donnerstag den Weg ebnen für eine erste Zinsanhebung seit 2011, die im Juli kommen könnte. Der deutsche Leitindex Dax
Laut der Landesbank Baden-Württemberg war eine vor einigen Wochen noch sehr hohe Skepsis der Nährboden für die jüngste Erholung, die jedoch "auf tönernen Füßen" stehe. "Das Umfeld bleibt weiterhin herausfordernd, wie etwa die jüngsten Inflationsdaten für Deutschland und den Euroraum einmal mehr belegten", hoben die Experten hervor. Nicht zuletzt schwebe auch das Damoklesschwert einer Gaskrise weiterhin über Europa, die hiesige Industriekonzerne schwer treffen würde.
"Sofern es kurzfristig nicht zu weiteren Eskalationen im Zuge des Ukraine-Krieges und beispielsweise einem kompletten Gaslieferstopps Russlands nach Europa kommt, dürfte sich die Erholungstendenz der Aktienmärkte und des Euro aufgrund der im Vergleich zu den Vorwochen etwas optimistischeren Aussichten fortsetzen", gibt sich der Chefvolkswirt der Privatbank Donner & Reuschel, Carsten Mumm, aber zuversichtlich. Charttechnisch wurden zuletzt mittelfristige Indikatorlinien überschritten, als nächste Hürde bleiben nun die gleitenden 200-Tage-Durchschnitte mit längerfristiger Relevanz.
Was kann die Inflation bremsen, wie hoch steigen die Zinsen und wie wirkt sich all dies auf die Wirtschaft aus? Dies sind die zentralen Fragen, die sich Anleger wohl noch längere Zeit stellen werden. Um Antworten zu bekommen, dürften sie am Donnerstag jedes Wort auf die Goldwaage legen. "Anders als der amerikanischen Notenbank Fed ist es der EZB bislang nicht gelungen, ihren Weg der Inflationsbekämpfung eindeutig zu kommunizieren. Falken und Tauben im EZB-Rat scheinen hier noch um den richtigen Weg zu ringen", gibt sich Claudia Windt von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) kritisch. Die sogenannten Falken sprechen sich im Zweifel für eine striktere Geldpolitik aus, während die sogenannten Tauben eher für eine lockere Gangart plädieren.
Laut dem Ökonomen Pietro Baffico von der Investmentgesellschaft Abrdn ist davon auszugehen, dass die Europäische Zentralbank zunächst ein frühzeitiges Ende der Netto-Wertpapierkäufe beschließen wird, bevor dann im Juli der Ausstieg aus der Negativzinspolitik beginnt. "Aber angesichts der unterschiedlichen Auffassungen innerhalb des EZB-Rats ist möglicherweise noch nicht klar, wie schnell die Politik angepasst wird", ergänzte Baffico. "Die unterschiedlichen Auffassungen, eine sich verlangsamende Wirtschaft und die Flexibilität der EZB werden wahrscheinlich zu mehr Marktvolatilität führen."
Wenn die Europäische Zentralbank am Donnerstag entschieden hat, folgt am Freitag das nächste besonders wichtige Ereignis mit den aktuellen Zahlen zur Entwicklung der Verbraucherpreise in den USA. "Die anstehenden Verbraucherpreisdaten für den Mai werden zeigen, dass die Inflation weiter unangenehm hoch ist", erwartet die Helaba-Expertin Windt. Sie prognostiziert einen Preisanstieg um 8,2 Prozent im Vorjahresvergleich. Der Preisdruck sei damit weiterhin problematisch hoch und so sei auch die US-Notenbank Fed weiter unter Handlungsdruck.
Abseits des Problem-Dreiecks Inflation, Zinsen und Konjunktur richten sich bange Blicke weiterhin nach China und dort auf die wieder aufgeflammte Pandemie. Zuletzt hatte es Hoffnung gemacht, dass in Shanghai und anderen international bedeutenden Wirtschaftsmetropolen die andauernden Corona-Lockdowns etwas gelockert werden konnten. Sollte diese Tendenz anhalten, würden Experten dies positiv für die derzeit massiv gestörten globalen Lieferketten bewerten.
Unternehmensseitig hat die Agenda abgesehen von diversen Hauptversammlungen in den kommenden Tagen relativ wenig zu bieten. Wegen aktueller interner Probleme könnte es am Donnerstag auf dem Aktionärstreffen der DWS
--- Von Timo Hausdorf, dpa-AFX ---