NEW YORK (dpa-AFX) - Die kurze Euphorie der Twitter-Anleger
Auslöser des Kursrückschlages zu Wochenbeginn war, dass Elon Musk Twitter einen Bruch der Bedingungen für die milliardenschwere Übernahme des Kurznachrichtendienstes vorgeworfen hatte. In einem offenen Brief seiner Anwälte hieß es, Twitter weigere sich, von Musk eingeforderte Daten zu Spam- und Fake-Nutzerkonten auf der Plattform herauszurücken. Twitter sei laut den Bedingungen des Übernahmedeals aber dazu verpflichtet, Daten und Informationen zu liefern, die Musk mit Bezug zur Transaktion einfordere. Anders als von Twitter dargestellt gelte diese Auskunftspflicht nicht nur für ganz beschränkte Zwecke. Musk behält sich den Angaben zufolge auch das Recht vor, das Übernahmevorhaben wieder abzublasen.
Musk bezweifelt öffentlich die Angaben von Twitter zur Anzahl von Spambots und Fake-Accounts. Der Chef von Tesla hatte sich zuvor mit Twitter geeinigt, den Kurznachrichtendienst für 54,20 US-Dollar je Aktie zu übernehmen. Bei Kursen von aktuell unter 40 Dollar sind die Anleger derzeit aber offenbar sehr skeptisch, ob es wirklich zu einem entsprechenden Geschäft kommt.
Anfang April war die Freude der Anleger noch groß gewesen, als Musk schlagartig zum größten Aktionär von Tesla wurde. Die Nachricht, dass der Tech-Milliardär einen Anteil von 9,2 Prozent hält, ließ die Anteilscheine um fast 28 Prozent in die Höhe springen. Musk gehört zu den bekanntesten Twitter-Nutzern. Am Folgetag zogen die Papiere auf bis zu 54,57 Dollar und damit den höchsten Stand seit Anfang November letzten Jahres an.
Doch seitdem haben die Papiere nicht mehr den von Musk gebotenen Preis von 54,20 Dollar je Aktie übertroffen. Statt dessen wuchsen die Zweifel, welche Ziele der Tesla-Chef wirklich verfolgt. So hatte Musk nur einige Tage nach seinem überraschenden Einstieg die Überlebenschancen der Plattform provokativ infrage gestellt. Mit Blick auf die Statistik der zehn Twitter-Konten mit den meisten Followern beklagte er: "Die meisten dieser "Top"-Accounts twittern selten und posten nur sehr wenige Inhalte."
Mitte April startete Musk dann den Übernahmeversuch bei Twitter, doch die Firma wehrte sich zunächst und erwärmte sich erst nach ein paar Tagen für den Vorschlag. Zudem geriet zuletzt zunehmend die Frage in den Vordergrund, wie der Tesla-Chef die Transaktion finanzieren will. Musk ist zwar die mit Abstand reichste Person der Welt. Sein Reichtum besteht aber fast ausschließlich aus Aktien von Tesla und seiner Weltraumfirma SpaceX. Er muss also entweder Aktien verkaufen oder Kredite mit Aktien absichern.
Mitte Mai erfolgte ein Kurssturz, nachdem Elon Musk den Deal zum Kauf von Twitter für vorläufig ausgesetzt erklärt hatte. Er wolle erst Berechnungen dazu abwarten, dass Accounts, hinter denen keine echten Nutzer stecken, tatsächlich weniger als fünf Prozent ausmachen. Gleichwohl versicherte Musk, dass er weiterhin an der Übernahme interessiert sei. Experten zufolge könnte Musks jüngste Ankündigung ein Versuch sein, den Übernahmepreis zu drücken, um lange gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
In der Öffentlichkeit spitzt sich indes die Diskussion vermutlich auf die Frage zu, wie stark Musk Twitter nach seinen Regeln formen wird, um die von ihm propagierte Meinungsfreiheit zu schaffen. Analysten tun sich insofern schwer, angesichts der aktuellen Entwicklungen das Potenzial der Twitter-Aktien einzuschätzen. Unter den von der Nachrichtenagentur Bloomberg erfassten Experten nehmen 32 eine neutrale Haltung ein. Nur 3 raten zum Kauf und lediglich 2 plädieren für einen Verkauf der Anteilscheine./la/jkr/he