DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Der Energieversorger Uniper
DAS BEWEGT UNIPER:
In der Chronik der vom Staat geretteten deutschen Unternehmen wird wohl bald ein weiteres Kapitel geschrieben. Denn der Düsseldorfer Versorger Uniper steht unter finanzieller Bedrängnis, und zwar so stark, dass er die Bundesregierung um Hilfe bittet. Grund sind die gesunkenen Gaslieferungen aus Russland und die dadurch stark gestiegenen Preise, die bei Uniper zu Liquiditätsproblemen führen. An diesem Freitag sollen die Änderungen am deutschen Energiesicherungsgesetz verabschiedet werden. Am Nachmittag will sich Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach zu den Auswirkungen und den nötigen nächsten Schritten äußern.
Seit Mitte Juni erhält der Konzern nach eigenen Angaben nur noch 40 Prozent der vertraglich zugesicherten Gasmengen der russischen Gazprom
"Wir hatten bereits Ende letzten Jahres durch die enorm gestiegenen Gaspreise einen signifikant gestiegenen Liquiditätsbedarf", erläuterte Vorstandschef Maubach Ende Juni den Schritt. "Um diesem zu begegnen, hatten wir bereits unsere Kreditlinien erweitert und unter anderem eine Fazilität der staatlichen KfW in Höhe von zwei Milliarden Euro erhalten, die wir bis heute nicht in Anspruch genommen haben." Jetzt habe sich die Entwicklung durch den Krieg in der Ukraine und die in der Folge stark reduzierten Gaslieferungen aus Russland "spürbar verschlechtert".
Das Wirtschaftsministerium arbeitet nach Angaben einer Sprecherin "unter Hochdruck" an Lösungen. Infrage kommen laut Uniper eine Reihe von Instrumenten von Garantie- und Sicherheitsleistungen über eine Erhöhung der aktuellen Kreditfazilität bis hin zu Beteiligungen in Form von Eigenkapital. Letzteres würde bedeuten, dass der Staat vorübergehend bei Uniper einsteigt - wie bei der Lufthansa
Wie das "Handelsblatt" berichtet, zieht der Bund eine höhere Beteiligung an dem finanziell angeschlagenen Konzern in Betracht. In den Diskussionen um staatliche Rettungsmaßnahmen spiele die Bundesregierung auch eine Beteiligung von mehr als 30 Prozent durch, schrieb die Zeitung am Donnerstag unter Berufung auf mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen. Hintergrund sei die Bedeutung der Investmentgrade-Bonität für das Geschäft des Energiekonzerns.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Die Uniper-Anleger nehmen angesichts der Hiobsbotschaften der letzten Wochen nur noch den Weg raus aus der Beteiligung. Bereits mit dem Kriegsausbruch in der Ukraine war der Aktienkurs wegen des umfangreichen Konzernengagements in Russland bis März bis auf 16,05 Euro eingebrochen. Bis Ende Mai versuchte die im MDax
Anfang der Woche berichtete zunächst die Nachrichtenagentur Bloomberg über mögliche Hilfsgelder in Höhe von bis zu neun Milliarden Euro. Am Dienstag wurde einem Pressebericht zufolge dann ein Einstieg des Bundes mit einer Aktienbeteiligung von bis zu 25 Prozent diskutiert. Der Bund könnte die Papiere zu einem Nennwert von 1,70 Euro bei Uniper zeichnen, berichtete das "Handelsblatt" mit Verweis auf informierte Personen. Das entspräche gut 150 Millionen Euro. Ergänzend sei den Insidern zufolge eine stille Beteiligung des Bundes im Gespräch. Diese könnte ein Volumen zwischen drei bis fünf Milliarden Euro haben. Als Reaktion darauf sackte der Aktienkurs von Uniper bis auf ein Rekordtief von 9,245 Euro ab.
Mittlerweile ist eine größere Anteilsverwässerung auch schon in den Aktienkurs eingepreist. So erholten sich die Aktien am Donnerstag ein wenig und notierten zum Handelsschluss bei 10,86 Euro. Rückenwind lieferte dabei auch der "Handelsblatt"-Bericht über eine Staatsbeteiligung von womöglich mehr als 30 Prozent.
Seit dem Jahreswechsel beläuft sich das Minus damit aber immer noch auf rund 74 Prozent. Die Marktkapitalisierung liegt bei knapp 4 Milliarden Euro. Zu Beginn des Jahres waren es noch rund 15 Milliarden Euro. Mit 78 Prozent gehört der Großteil der Uniper-Aktien dem finnischen Energiekonzern Fortum
DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:
Für den Markt stelle sich die Frage, ob der Versorger zur "Lufthansa 2.0" werde, schrieb Analyst Lueder Schumacher von der französischen Großbank Societe Generale. Das Paket für Uniper umfasse wohl einige Maßnahmen, aber der Markt sorge sich vor allem vor einer wohl stark verwässernden Kapitalerhöhung, urteilte der Experte. Ein Staatseinstieg würde zwar Banken beruhigen, aber das Problem hoher Gaspreise nicht lösen.
Die hohen Gaspreise hat auch Analyst Alberto Gandolfi von der US-Investmentbank Goldman Sachs im Blick. Seinen vorläufigen Berechnungen zufolge würde es den Versorger rund eine halbe Milliarde Euro kosten, würde er zum Ausgleich russischer Gaslieferungen einen ganzen Monat lang am Markt kaufen. Sein Kollege John Musk, Analyst bei der kanadischen Bank RBC, kommt hingegen zu dem Ergebnis, dass die gedrosselten Gaslieferungen aus Russland den Konzern sogar etwa 30 Millionen Euro am Tag kosten.
Generell äußerten sich die Experten recht optimistisch, dass eine Rettung mit staatlichen Mitteln gelingen kann. Das Unternehmen werde von der Bundesregierung als zu groß angesehen, um ohne eine Kettenreaktion auf den europäischen Energiemärkten zu scheitern, erklärt Analyst Vincent Ayral von der Großbank JPMorgan. Das von Bloomberg kolportierte Hilfspaket von neun Milliarden Euro erscheint aber hoch - insbesondere im Vergleich zu Unipers aktueller Marktkapitalisierung, findet Ayral.
Sam Arie von der Schweizer Bank UBS zieht noch einen anderen Vergleich: Nach dem Ausverkauf der Aktie Anfang der Woche liege die Marktkapitalisierung des Energieversorgers nun deutlich unter dem Wert allein des Gases in den eigenen Speichern. Dies spreche für eine übertriebene Kurskorrektur. Er fügte hinzu: Die Käufer an der Börse dürften allerdings nicht zurückkommen, bevor es Klarheit über eine mögliche Weitergabe höherer Gaskosten oder einen möglichen staatlichen Rettungsplan gebe./lew/tav/stw/mis