(Neu: Äußerungen Siemssen zu möglicher Gaspreisumlage im dritten Absatz)
DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Gerresheimer
Insbesondere die Glasproduktion benötigt viel Gas zur Wärmeerzeugung. Grundsätzlich ist der Vorstand aber zuversichtlich, im Falle von Liefereinschränkungen vorrangig Zugang zu Gaslieferungen zu erhalten, wie das Unternehmen auf Anfrage mitteilte. "Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass die Glasindustrie per se zu den schützenswerten Branchen gehört, insbesondere Pharmaglas."
Siemssen betonte in einer Telefonkonferenz mit Analysten zudem, dass Gerresheimer in wesentlichen Bereichen langfristige Gaslieferverträge und Absicherungsgeschäfte getätigt hat. Sollte es zu einer Gaspreisumlage kommen, dürften diese Bestand haben, was sogar ein Wettbewerbsvorteil wäre. Die zuvor ein wenig trägen Aktien zogen auf diese Äußerungen hin am Vormittag deutlich an.
Im abgelaufenen zweiten Geschäftsquartal bis Ende Mai steigerte Gerresheimer den Umsatz um knapp 18 Prozent auf 444,6 Millionen Euro. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) legte mit einem Plus von zehn Prozent auf 90,1 Millionen Euro nicht ganz so schwungvoll zu, weil höhere Kosten für Energie und Vertrieb teils nur mit Verzug auf die Kunden umgelegt werden können.
Zudem steckte der Konzern viel Geld in den Ausbau der Produktionskapazitäten von Spritzen, Kunststoffverpackungen und Injektionsfläschchen, vor allem in den Werken in Nordamerika und Europa. Und auch die Vorbereitung der Reparatur einer Schmelzwanne für Glas am deutschen Standort Tettau kostete Geld. Insgesamt stiegen die Investitionen daher um fast ein Drittel. Unter dem Strich blieb von März bis Mai mit 25,2 Millionen Euro für die Anteilseigner knapp 11 Prozent weniger Ergebnis hängen als vor einem Jahr. Das lag an höheren Zinsaufwendungen und Steuern.
Für das bis Ende November laufende Geschäftsjahr rechnet die Konzernspitze weiter mit einem prozentual zweistelligen Umsatzwachstum aus eigener Kraft. Konkret wird ein Plus von mindestens zehn Prozent zum währungsbereinigten Vorjahreswert von knapp 1,5 Milliarden Euro angepeilt. Das bereinigte operative Ergebnis (bereinigtes Ebitda) soll im hohen einstelligen Prozentsatz zulegen, nach rund 307 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Während vor einigen Wochen noch eine Prognoseerhöhung auf der Hand gelegen habe, erscheine angesichts der Gasversorgungslage Deutschlands mittlerweile schon die Bestätigung positiv, sagte ein Händler.
Mittelfristig soll weiterhin bei einem Umsatzwachstum aus eigener Kraft im hohen einstelligen Prozentbereich eine bereinigte operative Gewinnmarge (Ebitda-Marge) vor Wechselkurseffekten von 23 bis 25 Prozent erreicht werden. Dabei will Gerresheimer von neuen Produkten profitieren, etwa von Verpackungen für Biopharmazeutika und innovativen Systemen zur Medikamentengabe wie Autoinjektoren und Infusionspumpen.
Die Gerresheimer-Aktien waren gegen Mittag mit einem Plus von rund fünfeinhalb Prozent auf 61,20 Euro der Spitzenreiter im MDax. 2022 steht damit aber immer noch ein Minus von rund 28 Prozent auf dem Kurszettel. Vor allem Konjunktursorgen und Bedenken hinsichtlich der Gasbelieferung lasten auf dem Kurs.
Zudem hatten die Analysten der Bank JPMorgan zuletzt auf die vergleichsweise hohe Verschuldung des Unternehmens sowie in den kommenden sechs bis 18 Monaten fällige Darlehen hingewiesen. Hier machte Gerresheimer jüngst aber Fortschritte. Laut einer Mitteilung von Anfang Juli unterzeichnete das Unternehmen eine revolvierende dreijährige Kreditlinie in Höhe von 150 Millionen Euro. Diese sowie Ende 2021 ausgegebene Schuldscheine in gleicher Höhe sollen für die vorzeitige Rückzahlung von Tranchen eines anderen Darlehen von insgesamt 306 Millionen Euro genutzt werden, die im Jahresverlauf fällig werden./mis/tav/zb/stk