(neu: Aussagen des Konzernchefs, Analystenstimmen, Details zu Mittelfrist-Zielen)
FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Gabelstapler-Hersteller Kion
"Es gibt keine aktiven, keine konkreten Pläne", sagte Smith. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte Kion vergangene Woche mit Bezug auf Insiderinformationen als einen der ersten Kandidaten genannt, die die chinesischen Behörden umwerben sollen, einen Gang an die Börsen des Landes zu wagen. Der chinesische Industriekonzern Weichai Power hält an dem Frankfurter MDax-Konzern laut Kion-Daten gut 45 Prozent. Die Gespräche befänden sich aber noch in einem frühen Stadium, hieß es in dem Bericht.
Der in Deutschland eingebürgerte US-Amerikaner Smith hatte zu Beginn des Jahres von Gordon Riske die Führung bei Kion übernommen. Seine ersten sechs Monate an der Kion-Spitze waren nicht gerade von Glück gekrönt. Dem Rekordjahr 2021 hängt Kion wegen verschiedener Belastungsfaktoren hinterher. Seine Anfang April zurückgezogenen Jahresziele lässt der Konzern weiterhin ausgesetzt. Man wolle aber in den kommenden Monaten eine neue Prognose aufstellen, hieß es.
Die Anleger reagierten verhalten. Die Aktie gewann am Vormittag fast zwei Prozent, drehte später aber in die Verlustzone und war mit einem Abschlag von zuletzt 2,6 Prozent am Nachmittag zweitschwächster Titel im MDax
Die Profitabilität des Konzerns habe sich im zweiten Quartal etwas stärker abgeschwächt als gedacht, schrieb Analyst William Turne von der US-Investmentbank Goldman Sachs. Sein JPMorgan-Kollege Akash Gupta nannte sie "durchwachsen". Er hob allerdings hervor, dass Kion seine mittelfristigen Ziele für die Umsätze und Margen beibehalte, auch wenn das Unternehmen den Zeitplan überprüfe.
Eigentlich peilt Kion für kommendes Jahr mehr als zwölf Milliarden Euro Umsatz an und will eine bereinigte operative Marge von zehn bis zwölf Prozent erzielen. Dies habe auch weiterhin Bestand, bestätigte Smith, allerdings stehe der Zeitpunkt momentan auf dem Prüfstand.
Im ersten Halbjahr stieg Kions Umsatz um 11,4 Prozent auf 5,54 Milliarden Euro, dabei half vor allem das volle Auftragsbuch aus dem vergangenen Jahr. Als bereinigtes Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) blieben mit 311,7 Millionen Euro aber nur noch zwei Drittel vom Vorjahreswert. Hier wirkten sich die gestörten Lieferketten und höhere Kosten für Material, Energie und Logistik aus. Die operative Marge reduzierte sich damit von 9,3 auf 5,6 Prozent und das Konzernergebnis fiel um 45 Prozent auf knapp 160 Millionen Euro. Darin enthalten sind bereits im Auftaktquartal erfasste Sondereffekte aus dem Russland-Geschäft von insgesamt 30 Millionen Euro nach Steuern.
"Viele Unternehmen weltweit haben Probleme, Angestellte zu finden, die Lohnkosten steigen und die Leute sind immer schwieriger zu halten", beschrieb Smith die Faktoren, die die Geschäfte von Kion begünstigen. Allerdings räumte auch er einen Druck auf die Margen ein. Angesprochen auf die Knappheit von Halbleitern und anderen Bauteilen, die hohen Energie- und Materialkosten, die Lockdowns in China und einen drohenden Gasstopp, sagte er: "Am Ende sind es alles Kosten." Diese und die Verfügbarkeit von Teilen beschäftigten Kion am meisten.
Mittlerweile könnten bei Kion mittlerweile fast 12 200 nahezu fertige Flurförderzeuge nicht ausgeliefert werden. Es fehle an "drei, vier Teilen", sagte Smith. Immerhin: Nachdem diese Zahl von Ende 2021 bis Ende März von 8000 auf 12 000 gestiegen war, hat sie sich nun bis Ende Juni laut Smith nur um weniger als 200 Stück erhöht.
Kions Auftragsbestand stieg von Ende 2021 bis Mitte 2022 um fast ein Fünftel auf 7,9 Milliarden Euro. Allerdings bindet der hohe Auftragsbestand auch viel Kapital. Allein im ersten Halbjahr stieg es verglichen mit dem Jahresende um mehr als die Hälfte auf über 1,8 Milliarden Euro. Analysten kritisierten dies zuletzt, weil dies den Spielraum für neue Investitionen verringert. Auch Smith bezifferte das sogenannte Working Capital als "signifikant, aber das werden wir abbauen". Er verwies außerdem auf die im zweiten Quartal ausgeschüttete Dividende sowie die solide Finanzierung des Konzerns.
Bei der Chip-Knappheit sieht er bereits etwas Licht am Horizont. So habe Kion die Produktion der Elektronikteile so umgestellt, dass sie nun aus einer größeren Auswahl von Chip-Typen wählen könnten. Zudem habe das Unternehmen sein Zuliefer-Netz erweitert, und seine steigenden Kosten gebe es wenn möglich an seine Kunden weiter.
Auch für einen möglichen Gas-Lieferstopp sieht Smith den Konzern bereits gut aufgestellt: Kion könne seinen Gas-Bedarf um 50 bis 60 Prozent reduzieren. Das bezieht sich vor allem auf die Wärmeversorgung. Allerdings braucht Kion den Energieträger auch in den Lackierereien. Außerdem hätte ein Gas-Lieferstopp Einfluss auf die gesamte Lieferkette, deshalb sei es schwierig, die Auswirkungen abzuschätzen, sagte Smith.
In China konnte Kion laut dem Manager trotz der dortigen coronabedingten Lockdowns seine Produktionspläne immer einhalten. Auch das neue Werk für Flurförderzeuge in dem Land sei während der bisherigen Lockdowns fertiggestellt worden. Direkt daneben soll nun noch ein weiteres Werk entstehen für die Lieferkettenlösungen des Konzerns, der Bau hat schon begonnen.
Der globale Markt für Material-Handhabung wuchs laut Kion im ersten Halbjahr moderat, und auch die Frankfurter erhielten in dieser Zeit Aufträge im Wert von knapp 6,6 Milliarden Euro, rund 13 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Allerdings legte bei Kion nur der Bereich Industrial Trucks & Services (ITS) zu, in dem der Konzern etwa die sogenannten Flurförderzeuge wie Gabelstapler anbietet. Dennoch wuchs der Segmentumsatz dank eines starken Auftragsbestands aus dem Vorjahr. Die erhöhten Preise kamen kaum zur Geltung, und so ging das bereinigte operative Ergebnis des Segments um fast ein Drittel zurück.
In seinem zweiten Kernsegment Supply Chain Solutions (SCS) konnte Kion nicht von der globalen Nachfrage profitieren - das Neugeschäft stagnierte. Der Umsatz wuchs zwar, die operative Marge sank jedoch auf 7,1 Prozent. Kion bietet in diesem Bereich Lieferketten-Lösungen etwa in Form von Sortiersystemen und automatisierten Lagersystemen an. Es gilt als Zukunftsgeschäft des Konzerns./lew/stw/he