BERLIN (dpa-AFX) - Der über die Jahre so erfolgverwöhnte Online-Modehändler Zalando
LAGE BEI ZALANDO:
Die Zeiten scheinen vorerst vorbei, in denen die Berliner mit zweistelligen Wachstumsraten überzeugen konnten. Die schwindende Konsumlaune hinterlässt auch bei Zalando tiefe Bremsspuren. Das Management geht daher inzwischen von "makroökonomischen Herausforderungen aus, die länger anhalten und intensiver sein werden, als zunächst angenommen".
Dazu zeigt sich auch ein sich änderndes Kundenverhalten: Entweder entscheiden sich Verbraucher für das hochpreisige Sortiment oder für die sehr günstige Ware. Zalando hat eigenen Aussagen zufolge bereits begonnen, sich auf die neuen Begebenheiten einzustellen und baut das Sortiment um. Zudem will das Unternehmen Kosten sparen, um die Rentabilität zu verbessern. Marketingausgaben wurden bereits gesenkt und geplante Investitionen in den Ausbau der Logistik gekappt. Auch führt Zalando in weiteren Märkten einen Mindestbestellwert ein.
Das zweite Quartal dürfte schwächer ausgefallen sein als erwartet und "deutlich" unter den Analystenerwartungen bleiben, hatte Zalando Ende Juni einräumen müssen. Es sei nicht mehr davon auszugehen, dass sich die Verbraucherstimmung kurzfristig erhole. Beim Umsatz hält Zalando für 2022 eine Stagnation bei 10,4 Milliarden Euro für möglich, im besten Fall könnte ein kleines Plus von drei Prozent herausspringen. Im vergangenen Jahr hatte Zalando dank des Online-Booms erstmals die 10-Milliarden-Marke beim Umsatz überschritten. Auch die Jahre zuvor verwöhnte das Unternehmen die Anleger regelmäßig mit einem robusten zweistelligen prozentualen Wachstum.
Zalando war nach einem schwachen Jahresauftakt bereits im Mai pessimistischer geworden und hatte angekündigt, lediglich das untere Ende der bisherigen Prognosespannen erreichen zu können. Ursprünglich hatte das Management ein Umsatzplus von 12 bis 19 Prozent auf dem Zettel. Auch die Ergebnisprognose strich Zalando massiv zusammen. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) dürfte in diesem Jahr von 468,4 Millionen Euro im Vorjahr auf 180 Millionen bis 260 Millionen Euro sinken. Zuvor hatte das Management ein Ziel am unteren Ende der Spanne von 430 Millionen bis 510 Millionen Euro ausgegeben.
Am Donnerstag will Zalando Zahlen für das zweite Quartal veröffentlichen.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Analysten hatten sich von der Prognosesenkung nicht überrascht gezeigt - wohl aber von ihrem Ausmaß. Insgesamt müssen die Branche nach der Pandemie ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Wachstum und Profitabilität finden, kommentierte Sherri Malek von kanadischen Bank RBC. Die mittelfristigen Ziele von Zalando könnten nun schwerer zu erreichen sein. Georgina Johanan von der US-Bank JPMorgan sieht sogar das Risiko, dass das Unternehmen im Jahresverlauf womöglich noch weiter zurückrudern muss, da die Prognose von einer Verbesserung der Entwicklung im zweiten Halbjahr ausgehe. Volker Bosse von der Baader Bank kommentierte am Freitag, dass die nach unten geschraubten Erwartungen auch die mittelfristigen Ziele gefährden könnten.
Die Margen in diesem Jahr dürften die Talsohle für den Online-Modehändler markieren, zeigte sich Analyst Jörg Frey von Warburg Research hingegen optimistisch. Dass der Ausblick nicht zu halten sei, sei weitgehend zu erwarten gewesen. Den extremen Pessimismus des Marktes in Hinblick auf die Margen teile er aber nicht.
Die Analysten haben nach der Gewinnwarnung ihre Schätzungen gesenkt. Für das zweite Quartal erwarten sie daher in einem von der Nachrichtenagentur Bloomberg zusammengestellten Konsens einen bei gut 2,7 Milliarden Euro stagnierenden Umsatz. Auch das Bruttowarenvolumen sollte mit rund 3,9 Millionen nur ein wenig besser ausfallen als im Vorjahr. Besonders deutlich war die Ergebniskorrektur. Hier dürfte sich das bereinigte operative Ergebnis mit erwarteten 86,9 Millionen Euro mehr als halbieren. Vor der Gewinnwarnung Zalandos Ende Juni waren die Analysten dem Unternehmen zufolge von einem bereinigten Ebit von rund 104 Millionen Euro ausgegangen.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Die Aktie war am Tag nach der Gewinnwarnung zunächst eingebrochen. Zwischenzeitlich war sie um bis zu 18 Prozent auf 20,94 Euro und damit sogar unter den Ausgabepreis ihres Börsengangs aus dem Jahr 2014 von 21,50 Euro gefallen. Dann stabilisierte sich der Papiere aber um die 25 Euro.
Ohnehin ist der Corona-Kursboom schon eine Weile Geschichte. Während der Hochphase der Pandemie hatte Zalando lange Zeit vom florierenden Online-Handel profitiert. Im Sommer vergangenen Jahres hatte der Kurs mit 105,90 Euro ein Rekordhoch erreicht, womit das Unternehmen damals fast 28 Milliarden Euro wert war.
Davon sind aktuell noch fast sieben Milliarden Euro übrig. Zuletzt zeigte sich in den vergangenen vier Wochen eine zarte Erholungstendenz mit einem Plus von drei Prozent. Nichtsdestotrotz ist die Bilanz tiefrot: Im laufenden Jahr kommt das Papier auf ein Minus von mehr als 60 Prozent, auf fünf Jahre gesehen auf rund 30 Prozent./nas/mis/he