HANNOVER (dpa-AFX) - Der Autozulieferer und Reifenhersteller Continental
Die Aktie verlor am Vormittag in der Dax-Schlussgruppe 1,1 Prozent auf 68,66 Euro. Damit steht für Conti-Aktionäre in diesem Jahr ein Minus von gut einem Viertel zu Buche, der Börsenwert ist unter 14 Milliarden Euro gesunken. Jefferies-Analyst Himanshu Agarwal sah in den Details nach den vorlegten Eckdaten vor knapp drei Wochen keine Überraschung mehr - allerdings erfordere die bestätigte Prognose eine deutliche Verbesserung der Profitabilität im Autozuliefergeschäft im zweiten Halbjahr, schrieb er.
Denn auch im zweiten Quartal schrieb der umsatzmäßig größte Geschäftsteil der Hannoveraner im Tagesgeschäft rote Zahlen, wie auch schon zu Jahresbeginn. In den ersten sechs Monaten lag die Marge hier bei minus 3,1 Prozent, im Gesamtjahr soll sie nach wie vor in der Bandbreite von minus 0,5 Prozent bis plus 1 Prozent landen.
Doch Conti sieht wieder Aufwärtstendenzen. Zuletzt lasteten die Corona-Lockdowns in China, der Materialmangel insbesondere bei Elektronikteilen und auch Russlands Krieg gegen die Ukraine auf den Zahlen - Conti ächzt unter den anziehenden Kosten für Einkauf, Frachten und Energie in einem "turbulenten Marktumfeld". Aber: Im zweiten Quartal gingen Bestellungen für über 6 Milliarden Euro in der Autozulieferung ein. Auch die Autobauer rechnen dank einer besseren Versorgungslage bei Chips wieder mit stabileren Produktionsauslastung.
So erwarten die Niedersachsen dieses Jahr weiter einen Anstieg der weltweiten Fahrzeugproduktion von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen zwischen 4 und 6 Prozent. Im zweiten Quartal ging sie in Europa noch um 5 Prozent, im wichtigen Markt China gar um 6 Prozent zurück. In Nordamerika gab es hingegen ein kräftiges Plus von 12 Prozent.
Conti hängt in der Erstausrüstung von Autos direkt von den Produktionszahlen ab - bauen die Hersteller keine Autos, rufen sie auch keine Teile bei Conti ab. Um sich für den erwarteten Produktionszuwachs in der zweiten Jahreshälfte zu rüsten, nahm Conti auch viele Teile auf Lager, was einen überraschend hohen Geldabfluss im Quartal nach sich zog, wie Goldman-Sachs-Analyst Philipp Konig anmerkte. Allerdings habe das Unternehmen die Jahresprognose für den sogenannten Free Cashflow dennoch bestätigt.
Der Umsatz des Konzerns war bei den fortgeführten Geschäften in den Monaten April bis Juni wie bereits bekannt um 13 Prozent auf 9,4 Milliarden Euro gestiegen. Ohne Wechselkurseffekte und Zu- wie Verkäufe von Unternehmensteilen hätte das Wachstum bei 8 Prozent gelegen. Vor einem Jahr hatte die Chipknappheit in der Branche die Geschäfte spürbar eingeschränkt. Inbesondere in der Reifensparte schoben diesmal Preiserhöhungen an, aber auch im Autogeschäft vereinbarte Conti höhere Preise mit den Kunden.
Obwohl das so einträgliche Reifengeschäft erneut mit hoher Profitabilität aufwarten konnte, fiel letztlich auch unter dem Strich ein Verlust von 250,7 Millionen Euro beim Dax-Konzern an. Vor einem Jahr hatte der Konzern noch einen Gewinn von 545,3 Millionen Euro ausgewiesen.
Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern ging im Konzern wegen der schwierigen Lage an den Märkten bereits um rund ein Fünftel auf 410,5 Millionen Euro zurück. Allerdings fielen dann noch Buchwertabschreibungen im Autozuliefergeschäft in Höhe von 370 Millionen Euro an wegen gestiegener Zinsen. Zusätzliche Sanktionen gegen Russland kosteten wegen der dortigen Geschäfte Wertberichtigungen von 75 Millionen Euro. Umbaukosten in der Kunststofftechnik-Sparte Contitech fielen mit weiteren 63 Millionen Euro ins Gewicht.
Conti betreibt ein Reifenwerk in Russland und hat nach einer anfänglichen Pause auch die Produktion wieder aufgenommen. Das Management denkt aber über einen kompletten Rückzug aus dem Land nach. Ergebnisse dazu gibt es noch nicht, wie Finanzchefin Dürrfeld der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX sagte: "Wir prüfen nach wie vor und evaluieren alle Optionen." Dazu gehöre auch ein "geordneter Rückzug aus dem russischen Markt". Ob das mit weiteren Sonderkosten für einen Verkauf oder eine Geschäftsaufgabe einhergehen könnte, dazu wollte sie keine Angaben machen. Insgesamt beschäftigt der Dax-Konzern rund 1300 Menschen in Russland./men/mne/jha/