(neu: 6. und 7. Absatz zum freien Mittelzufluss und Baader-Analyst, Kurs)
ESSEN (dpa-AFX) - Der Spezialchemiekonzern Evonik
Nach einem Kursrutsch um rund 2,7 Prozent im frühen Handel berappelte sich das Papier und drehte schließlich ins Plus. Am frühen Nachmittag ging es für die Aktie dann um mehr als zwei Prozent bis auf 19,32 Euro nach oben. 2022 hat sie im Sog hoher Energiekosten und der Konjunktursorgen der Investoren bislang allerdings immer noch rund ein Drittel verloren. Der europäische Chemieindex Stoxx Europe 600 Chemicals hat im laufenden Jahr mehr als 14 Prozent eingebüßt.
Analyst Gunther Zechmann von Bernstein Research äußerte sich positiv zu den Ankündigungen von Evonik. Das betreffe den Zeitplan für die Veräußerungen der Unternehmensteile, aber auch die Einsparungen, die die steigenden Energiekosten teils ausglichen. Trotz des schwierigen Umfeldes treibe der Konzern aber auch Investitionen in Wachstumsbereichen voran, etwa bei Lipiden für die Pharmaindustrie und bei Biotensiden für Reinigungsmittel.
Mit dem Sparprogramm reagiert Evonik nicht nur auf das schwierige Umfeld, sondern auch auf den erwarteten weiteren Anstieg der Energiepreise. Hier kalkuliert Kullmann für 2023 mit rund 1,6 Milliarden Euro. Das wären nochmal 300 Millionen Euro mehr als im laufenden Jahr, in dem sich die Kosten für Energie fast verdoppeln werden.
Erste Spuren der zunehmend trüben Wirtschaftslage sind bereits erkennbar: Der Absatz sank im dritten Quartal in vielen Unternehmensbereichen. Dennoch sieht Kullmann den MDax-Konzern auf Kurs zum Ziel eines bereinigten operativen Gewinns (Ebitda) von 2,5 bis 2,6 Milliarden Euro im laufenden Jahr, wenngleich mittlerweile - anders als noch zum Halbjahr - nicht mehr das obere Ende der Spanne in Aussicht gestellt wird. Damit könnte Evonik die aktuelle, mittlere Analystenschätzung verfehlen.
Vom bereinigten operativen Gewinn sollen 2022 weiterhin rund 30 Prozent als freier Finanzmittelzufluss übrig bleiben. Das entspräche einem Free Cashflow von 750 bis 780 Millionen Euro. Erreichen will Evonik das mit einem besseren Management der Lagerbestände, das sich bereits im dritten Quartal niederschlug. So steht nach einem Mittelzufluss von 288 Millionen Euro im dritten Quartal nach neun Monaten ein Free Cashflow von 182 Millionen Euro in den Büchern.
Analyst Konstantin Wiechert von der Baader Bank sieht darin seine Einschätzung untermauert, dass alle Chemieunternehmen und deren Kunden bemüht sein dürften, ihre Lagerbestände zum Jahresende hin zu reduzieren. Zum einen, um mehr Cashflow zu erzielen, zum anderen, um eine Abwertung der Lagerbestände zu vermeiden.
Im abgelaufenen dritten Quartal fiel das bereinigte operative Ergebnis - trotz eines von höheren Verkaufspreisen getriebenen Umsatzanstiegs um gut ein Viertel auf 4,88 Milliarden Euro - im Jahresvergleich um fünf Prozent auf 615 Millionen Euro. Damit schnitt der Konzern etwas besser ab als erwartet. Unter dem Strich verdiente Evonik 214 Millionen Euro nach 235 Millionen vor einem Jahr.
Dabei gelang es dem Konzern höhere Kosten durch deutliche Preiserhöhungen an die Kunden weiterzureichen. Dank dieser Preiserhöhungen peilt Evonik 2022 nun 18,5 Milliarden Euro Umsatz an, statt 17 bis 18 Milliarden bisher. Allerdings schwächelt die Nachfrage mittlerweile, ein niedrigerer Absatz hinterließ in fast allen Bereichen Spuren.
Der Konzern bekam unter anderem eine rückläufige Nachfrage aus der Tierfuttermittelindustrie nach dem Eiweiß Methionin zu spüren und die Geschäfte mit chemischen Standardprodukten der Sparte Performance Materials liefen weniger gut als noch im zweiten Quartal. Einen Anstieg des bereinigten operativen Ergebnisses schaffte nur die Sparte Specialty Additives rund um Zusatzstoffe für Materialien etwa für die Bau- und Autoindustrie sowie für Hersteller von Windkraftanlagen.
Unter Performance Materials hat Evonik vor einiger Zeit die Geschäfte mit chemischen Standardprodukten gebündelt, die perspektivisch verkauft werden sollen. Finanzchefin Ute Wolf sieht das Unternehmen auf Kurs für eine Veräußerung des C4-Verbundes rund um petrochemische Zusätze für Kautschuk, Kunststoffe und Spezialchemikalien sowie des Superabsorber-Geschäfts mit saugstarken Materialien etwa für Windeln in den kommenden zwölf Monaten, wie sie in einem Video-Beitrag zu den Quartalszahlen betonte./mis/mne/jha/