BERLIN (dpa-AFX) - Die Gewerkschaft Verdi lässt ab diesem Montag darüber abstimmen, ob es im Tarifkonflikt bei der Deutschen Post
Verdi fordert einen einjährigen Vertrag mit 15 Prozent mehr Geld. Der Konzern hält dies für wirtschaftlich nicht leistbar und bietet einen zwei Jahre laufenden Tarifvertrag mit verschiedenen Finanzkomponenten an. So würde sich laut Post etwa das Einstiegsentgelt eines Paketsortierers in diesem Zeitraum um 20,3 Prozent erhöhen und das einer Zustellerin um 18 Prozent. Außerdem soll die steuerfreie Inflationsausgleichsprämie über insgesamt 3000 Euro fließen.
Aus Sicht von Verdi reicht dieses Angebot nicht aus. Fast 90 Prozent der Tarifbeschäftigten seien in den Entgeltgruppen eins bis drei eingruppiert. Das Monatsgrundentgelt betrage hier zwischen 2108 und 3090 Euro brutto. "Diese Tarifbeschäftigten sind im besonderen Maße von der hohen Inflation betroffen, da sie einen großen Anteil ihres Nettoeinkommens für Nahrungsmittel und Energie aufbringen müssen", betonte die Gewerkschaft am Sonntag. Die letzte Tariferhöhung im Januar 2022 habe zwei Prozent betragen.
Der Konzern hat Notfallpläne erarbeitet, um Beeinträchtigungen für die Kunden möglichst gering zu halten. "Sollte es aber tatsächlich zu flächendeckenden, unbefristeten Streiks kommen, werden wir Verzögerungen nicht ganz verhindern können", sagte der Betriebschef der Brief- und Paketsparte, Thomas Schneider, der "Bild am Sonntag". Auf die Urabstimmung reagierte er mit Unverständnis: "Wir haben das beste Tarifangebot in der Geschichte unseres Unternehmens vorgelegt."
Die Post zieht grundsätzlich auch eine stärkere Fremdvergabe ihrer Aufgaben in Betracht. "Wir haben als Post für Deutschland über viele Jahrzehnte ein Betriebsmodell aufgebaut, das ausschließlich mit eigenen Kräften operiert", sagte Personalvorstand Thomas Ogilvie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wenn Verdi das jetzt alles vor dem Hintergrund kurzfristiger maximaler Lohnsteigerungen infrage stellt, werden wir unser Betriebsmodell überdenken müssen."
Dies würde sich dann auch auf die Arbeitsplätze auswirken. Es stelle sich die Frage, ob Standorte weiter selber betrieben werden könnten oder ob sie fremdvergeben werden. Im Paketbereich habe die Post bei der Zustellung 98 Prozent in der eigenen Wertschöpfung. "Betriebs- und Sortierzentren sind im Eigenbetrieb. Die Briefzustellung haben wir komplett im Eigenbetrieb", sagte Ogilvie. Bisher sei bis Ende Juni die Fremdvergabe der Briefzustellung vertraglich ausgeschlossen.
Die Gewerkschaft bezeichnete die Aussagen als "untaugliche Einschüchterung" der Beschäftigten. "Auf diese Weise Ängste zu schüren, ist ein weiterer Versuch, die Beschäftigten bei der Urabstimmung negativ zu beeinflussen", sagte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Andrea Kocsis am Sonntag laut Mitteilung. "Die Absicht hinter der angedrohten Ausgliederung ist klar: Eine gute tarifliche Bezahlung soll durch Fremdvergabe umgangen werden."
Vergangene Woche waren die Tarifverhandlungen für rund 160 000 Beschäftigte der Deutschen Post wie Paketboten oder Briefträger gescheitert. Nach Angaben von Verdi sind über 100 000 von ihnen Mitglieder der Gewerkschaft. In den vergangenen Wochen hatte es bereits Warnstreiks gegeben - so nennen sich Arbeitsniederlegungen, die vor einer Urabstimmung erfolgen und zeitlich befristet sind. Durch diese Arbeitskampfmaßnahmen hatte sich der Versand von Millionen Briefen und Pakete verzögert./hgo/wdw/bg/DP/ngu