(neu: Details zu Belastungen durch US-Rechtsstreitigkeiten, Einschätzung durch Fondsmanager von Union Invest sowie Details zu Xarelto, Eylea)
LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Das Wachstum des Pharma- und Agrarchemiekonzerns Bayer
Bayer-Aktien sanken zuletzt um gut 4 Prozent auf 56,20 Euro. Damit fielen sie unter die Unterstützung um die 58 Euro, die sie im Februar teils deutlich hinter sich gelassen hatten. Das Bekanntwerden des Einstiegs aktivistischer Investoren hatte den Kurs da kurz bis auf fast 66 Euro getrieben.
Trotz des aktuellen Rücksetzers bleiben die Bayer-Aktien im noch jungen Börsenjahr 2023 mit einem Plus von fast einem Fünftel unter den Dax-Favoriten. Ein Treiber sind dabei Spekulationen über die Konzernstruktur unter dem künftigen Bayer-Chef Bill Anderson, der das Ruder Anfang Juni von Werner Baumann übernehmen wird.
Die Unternehmensprognosen für 2023 bezeichnete Analyst Charlie Bentley vom Investmenthaus Jefferies als durchwachsen. Zwar liege der Umsatzausblick etwas über der mittleren Markterwartung, das Ziel für das bereinigte operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) liege aber etwas darunter.
Bayer kalkuliert laut einer Mitteilung vom Dienstag für das laufende Jahr um Effekte aus Wechselkursveränderungen bereinigt und damit auf Basis der monatlichen Durchschnittskurse 2022 mit einem Umsatz von 51 bis 52 Milliarden Euro. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) soll auf dieser Basis 12,5 bis 13 Milliarden Euro erreichen. Der freie Finanzmittelzufluss soll mit 3 Milliarden Euro knapp unter den 2022 erzielten 3,1 Milliarden liegen.
"Der Ausblick für dieses Jahr ist enttäuschend, genau wie der langsame Schuldenabbau", sagte Markus Manns, Fondsmanager bei Union Investment. Der schwache Ausblick dürfte aber auch dem Umstand geschuldet sein, Bill Anderson einen guten Start zu ermöglichen. Die Wiederherstellung des Investorenvertrauens und der Überprüfung der Konzernstruktur seien die wichtigsten Aufgaben für den neuen Konzernchef.
Im Ausblick berücksichtigt sind mögliche Auszahlungen im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten in den USA von zwei bis drei Milliarden Euro. Darin enthalten sind etwa 1,3 Milliarden Euro für die Beilegung von Streitigkeiten um mutmaßliche Umweltverschmutzungen durch das schon seit Jahrzehnten verbotene Umweltgift PCB. Diese Rechtsstreitigkeiten hatte sich Bayer 2018 mit der 63 Milliarden Dollar schweren Übernahme des US-Agrarchemiekonzerns Monsanto ebenso ins Haus geholt wie die Glyphosat-Probleme. Konzernchef Baumann hatte die Übernahme eingefädelt.
Gerade der US-Streit um angebliche Krebsrisiken glyphosathaltiger Unkrautvernichter hat Bayer Milliarden gekostet, nachdem das Unternehmen im Sommer 2018 einen wegweisenden Fall vor Gericht verloren hatte. Die Klägerzahlen waren nach oben geschnellt. Die Kursverluste der Aktie belaufen sich seither unter dem Strich immer noch auf 40 Prozent.
Per 1. Februar haben die Leverkusener von rund 154 000 angemeldeten Ansprüchen circa 109 000 verglichen oder abgelehnt, wenn sie die Vergleichskriterien nicht erfüllen. Nachdem Bayer zuletzt eine Reihe von Gerichtsprozessen gewonnen hatte, geht der Konzern bei weiteren Vergleichen nur noch zögerlich vor.
Mit Blick auf das Agrargeschäft geht der Dax-Konzern von weiter hohen Saatgutpreisen sowie von ebenfalls weiter steigenden Preisen für agrochemische Produkte aus, während die Preise für den Unkrautvernichter Glyphosat sinken dürften. Die Glyphosat-Preise waren 2022 über weite Strecken ungewöhnlich hoch. Energie- und Frachtkosten, Corona-Einschränkungen in China sowie strengere Umweltauflagen in China für die Produktion von Rohstoffen für das Mittel waren die Treiber. Bereits ab dem dritten Quartal gab es aber eine Trendumkehr.
2023 dürften die glyphosatbasierten Erlöse laut einer Unternehmenspräsentation um 15 bis 20 Prozent sinken, was in der Mitte der Spanne rund 900 Millionen Euro sind. Das Wachstum des restlichen Portfolios der Sparte um rund 1,6 Milliarden Euro soll das mehr als ausgleichen.
Das Pharma-Geschäft dürfte 2023 kaum wachsen. Bereits 2022 standen die Erlöse mit dem Kassenschlager Xarelto unter Druck. Mit 4,5 Milliarden Euro war der Blutgerinnungshemmer aber weiter das mit Abstand umsatzstärkste Medikament, gefolgt vom Augenmedikament Eylea, dessen Erlöse um rund zehn Prozent auf 3,2 Milliarden Euro wuchsen. Während bei Eylea im laufenden Jahr mehr Anwendungen an Patienten den Preisdruck auffangen sollen, dürften die Xarelto-Erlöse im mittleren einstelligen Prozentbereich sinken. Neben allgemeinem Preisdruck liegt das an Patentverlusten in kleineren Märkten.
Schwung verspricht sich Bayer-Pharma-Chef Stefan Oelrich 2023 von noch jungen Medikamenten wie dem Prostatakrebsmittel Nubeqa sowie von Kerendia für Nierenpatienten mit Diabetes. Beide haben ordentliche Marktstarts hingelegt, das mittelfristige Ziel ist ein jährlicher Spitzenumsatz von jeweils mehr als drei Milliarden Euro. Das dürfte aber noch dauern. Immerhin: Der Nubeqa-Umsatz war 2022 mit 466 Millionen Euro mehr als doppelt so hoch wie im Jahr zuvor. Kerendia spielt noch nicht in dieser Größenordnung, schaffte 2022 aber den Sprung über die 100-Millionen-Euro-Grenze, wie Oelrich erklärte.
Im Jahr 2022 steigerte Bayer den Konzernumsatz um gut 15 Prozent auf 50,7 Milliarden Euro und das bereinigte operative Ergebnis um mehr als ein Fünftel auf 13,5 Milliarden Euro. Beide Werte liegen auf dem Niveau der Markterwartungen. Unter dem Strich stieg der Gewinn mit 4,15 Milliarden Euro auf das Vierfache./mis/knd/jha