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ROUNDUP 2: Brenntag erwartet 2023 bestenfalls Gewinnstagnation - Aktie steigt

08.03.2023
um 14:23 Uhr

(neu: Aussagen aus der Telefonkonferenz, Analysten, Aktienkurs)

ESSEN (dpa-AFX) - Der Chemikalienhändler Brenntag blickt nach einem Umsatz- und Ergebnissprung im vergangenen Jahr vorsichtig auf 2023. Der Vorstand rechnet im laufenden Jahr mit einem anhaltend schwierigen Geschäftsumfeld, wie Brenntag am Mittwoch in Essen mitteilte. Die Situation dürfte sich aber allmählich normalisieren. In diesem Jahr soll der bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (operatives Ebitda) deshalb mit 1,6 bis 1,8 Milliarden Euro im besten Fall den Vorjahreswert erreichen. Von der guten Geschäftsentwicklung 2022 sollen die Aktionäre profitieren: Die Dividende soll kräftig steigen. Zudem will das Unternehmen eigene Aktien zurückkaufen.

Die Brenntag-Aktie startete am Morgen mit Kursverlusten in den Handel, drehte dann aber in die Gewinnzone. Zuletzt lag das Papier mit rund 0,2 Prozent im Plus.

"Aktuell erwarteten wir für das erste Quartal ein Ergebnis, das über dem Niveau des vierten Quartals liegt", sagte Unternehmenschef Christian Kohlpaintner in einer Telefonkonferenz. Allerdings sei es herausfordernd, die guten Ergebnisse aus dem Gesamtjahr zu wiederholen. Im laufenden Jahr dürften sich die Regionen sehr unterschiedlich entwickeln. Während Nordamerika robuster sei als häufig wahrgenommen, gebe es Erholungszeichen in China. Letzteres dürfte sich auf Asien vor allem in der zweiten Jahreshälfte auswirken. Europa bleibe schwierig.

Wachsen will Brenntag auch künftig über Zukäufe. Ausbauen will das Unternehmen etwa die Marktposition seiner beiden Geschäftsbereiche Specialties und Essentials in den Schwellenländern, sagte der Brenntag-Chef. Dabei werde der Vorstand auch größere Übernahmen prüfen, wenn sich die Gelegenheit ergebe. Der rund 290 Milliarden US-Dollar schwere Markt sei extrem fragmentiert, erläuterte der Manager. Brenntag sei mit 5 Prozent Marktanteil mit großem Abstand Marktführer. In den nächsten Jahren dürfte es eine deutlich stärkere Konsolidierung in dieser Industrie geben. Jährlich will das Unternehmen 400 bis 500 Millionen Euro für Zukäufe aufwenden. In den vergangenen drei Jahren hatte Brenntag rund 670 Millionen Euro für Übernahmen ausgegeben.

Anfang des Jahres hatte das Brenntag-Management nach der Kritik von Aktionären eine mögliche Akquisition des US-Konkurrenten Univar Solutions abgeblasen. Kritik gab es zuvor von Aktionärsseite. So hatte der Primestone Capital die "sofortige Beendigung" der Gespräche mit Univar gefordert. Nach Vorstellung von Primestone sollte sich Brenntag statt auf eine "risikoreiche" Übernahme vielmehr auf die Verbesserung des Kerngeschäfts konzentrieren. Hierzu forderte der Investor auch eine Aufspaltung des Unternehmens. Unterdessen stellte Unternehmenschef Kohlpaintner klar: Der Vorstand lasse sich nicht von Investoren treiben. Er prüfe Optionen, wenn diese Mehrwert generieren könnten, dann setze er diese auch um.

Im abgelaufenen Jahr verhalfen höhere Verkaufspreise und eine gute Nachfrage dem Chemikalienhändler zu deutlich höheren Erlösen und mehr Gewinn. Der Umsatz kletterte im Jahresvergleich um 35 Prozent auf 19,4 Milliarden Euro. Dabei profitierte das Unternehmen auch vom schwächeren Euro - bereinigt um Währungseffekte betrug das Plus knapp 28 Prozent. Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen zog auch dank des Konzernumbaus um gut ein Drittel auf 1,8 Milliarden Euro an.

Im Tagesgeschäft lief es in den beiden Geschäftsbereichen Specialties und Essentials deutlich besser. Im ersten Geschäftsfeld konzentriert sich Brenntag auf den Vertrieb von Inhaltsstoffen für ausgewählte Branchen. Im zweiten Bereich vermarktet das Unternehmen Prozesschemikalien.

Auf die Aktionäre entfiel im vergangenen Jahr ein Gewinn von 887 Millionen Euro und damit fast doppelt so viel wie im Vorjahr.

Von der guten Geschäftsentwicklung sollen auch sie nun profitieren: Die Dividende soll von 1,45 Euro im Vorjahr auf 2,00 Euro je Aktie steigen. Zudem kündigte das Unternehmen am Dienstagabend an, eigene Aktien im Wert von bis zu 750 Millionen Euro innerhalb eines Jahres zurückzukaufen. Damit gebe das Unternehmen insgesamt mehr als eine Milliarde Euro Kapital an seine Aktionäre zurück, sagte Finanzchefin Kristin Neumann laut Mitteilung.

Nach Einschätzung von Analyst Christian Cohrs vom Analysehaus Warburg Research sind die Jahreszahlen des Chemikalienhändlers durchwachsenen ausgefallen. Positiv seien hingegen die starke Entwicklung des freien Mittelflusses und die Aussagen zum Aktienrückkauf. Für Analyst Markus Mayer von der Baader fielen die Gesamtjahreszahlen schwächer aus als erwartet. Der Ausblick für das laufende Jahr habe aber überzeugt. Hinzu komme das erstmalige Aktienrückkaufprogramm.

Der seit 2020 amtierende Brenntag-Chef Christian Kohlpaintner hatte dem Unternehmen einen Großumbau verordnet, um es profitabler zu machen. Bis Ende 2022 wurden mehr als 1300 Stellen gestrichen und 100 Standorte geschlossen. 2022 habe das Unternehmen mit dem Programm ein zusätzliches jährliches operatives Ergebnis (Ebitda) von 249 Millionen Euro generiert, hieß es. Ursprünglich geplant waren 220 Millionen Euro bis Ende 2023.

Brenntag handelt international mit Industrie- und Spezialchemikalien sowie Inhaltsstoffen. Das Unternehmen kauft die Stoffe bei Chemiekonzernen in größeren Mengen ein und verkauft sie in kleineren Mengen. In den vergangenen Jahren ist Brenntag mithilfe kleinerer Übernahmen gewachsen. Konjunkturabschwünge treffen das Unternehmen in der Regel weniger stark als Chemiekonzerne, weil Kunden dann weniger Chemikalien benötigen und diese vermehrt beim Händler statt beim Produzenten kaufen. Zuletzt beschäftigte Brenntag mehr als 17 500 Mitarbeiter in 78 Ländern./mne/men/mis/jha/

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