MÜNCHEN (dpa-AFX) - Wacker Chemie
Der Geschäftsbericht von Wacker Chemie biete Optimisten und Pessimisten Stoff, sagte ein Händler in einer ersten Reaktion. So dürften Dividendenjäger angelockt werden, während der eher wenig inspirierende Ausblick auf dem Aktienkurs lasten könnte. Die Aktie fiel am Vormittag um rund zwei Prozent auf 142,75 Euro, womit sich eine Dividendenrendite von rund 8,5 Prozent ergibt. Mit dem Minus weiteten die Papiere ihre jüngsten Verluste aus, nachdem sie Ende Februar bei fast 162 Euro noch auf den höchsten Stand seit Juni 2022 gestiegen waren. Für das noch junge Börsenjahr 2023 steht aber immer noch ein Plus von rund einem Fünftel zu Buche.
Das Unternehmen will die Ausschüttung je Aktie um die Hälfte auf 12 Euro anheben. Damit werden die Anteilseigner an der starken Geschäftsentwicklung aus dem vergangenen Jahr beteiligt, da der Konzern sich auf die Fahnen geschrieben hat, grundsätzlich rund 50 Prozent des Jahresergebnisses auszuschütten. Und das war im vergangenen Jahr um mehr als die Hälfte auf knapp 1,3 Milliarden Euro gestiegen, wie seit der Veröffentlichung vorläufiger Zahlen im Januar bekannt ist. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) legte 2022 um gut ein Drittel auf etwa 2,1 Milliarden Euro zu, bei einem Umsatzwachstum um knapp ein Drittel auf 8,2 Milliarden Euro.
Dabei bekam das Unternehmen aber bereits insbesondere zum Jahresende hin die Zurückhaltung der Kunden zu spüren. Die gesamte Branche litt unter einem Abbau teils zu hoher Lagerbestände sowie unter dem tristen Konjunkturumfeld. Das machte sich vor allem im Geschäft mit Silikonen bemerkbar - vielseitig einsetzbare Kunststoffe, die etwa in der Elektronikindustrie, der Baubranche, bei Textilherstellern, Medizintechnikunternehmen und Autobauern gefragt sind.
"Die Dynamik der Weltwirtschaft hat sich deutlich abgeschwächt", sagte Konzernchef Christian Hartel laut Mitteilung. "Das wirtschaftliche und politische Umfeld weltweit bleibt volatil. Die hohen Preise für Energie, insbesondere in Europa, belasten weiter unser Geschäft." Gerade die Bauindustrie schwächelt derzeit weiter. Hohe Zinsen verteuern die Finanzierung und die hohe Inflation hat die Baukosten in die Höhe getrieben, viele Projekte liegen auf Eis. In der Textilindustrie erwartet Wacker Chemie allerdings nach einem Nachfragerückgang Ende des vergangenen Jahres für 2023 eine Trendwende.
Wachsen will das Unternehmen derweil im Geschäft mit Spezialprodukten, also abseits der Massenware. "Dies gilt besonders für Anwendungen im Energiesektor, in der Elektromobilität, in der Pharmaindustrie und in der Medizintechnik sowie bei der Herstellung von Etiketten", heißt es im Geschäftsbericht. Bei letzterem komme das Wachstum des Versandhandels zum Tragen. Und der Ausbau des 5G-Mobilfunks und Trends wie künstliche Intelligenz steigerten die Nachfrage der Elektroindustrie nach Gasen und hochreinen Silanen. Das sind Stoffe, die unter anderem Farben, Dichtstoffen und Wasserschutzmitteln beigemischt werden, aber auch in Isolierschichten für Halbleiter-Komponenten genutzt werden.
Alles in allem dürften der Umsatz 2023 auf 7 bis 7,5 Milliarden Euro sinken und das operative Ergebnis (Ebitda) auf 1,1 bis 1,4 Milliarden Euro fallen. Das wäre bei den Erlösen ein Minus von bis zu knapp 15 Prozent und beim operativen Gewinn um bis zu fast der Hälfte. Die durchschnittlichen Analystenschätzungen liegen beim Umsatz eher am unteren Ende der Spanne, beim Gewinn eher am oberen. Im ersten Quartal dürfte das operative Ergebnis dabei besonders unter Druck geraten und auf 250 bis 280 Millionen Euro fallen, nach 644 Millionen Euro vor einem Jahr. Dabei schwächelt vor allem das Geschäft mit dem Solar- und Halbleiterindustrie-Grundstoff Polysilizium, gerade das Geschäft mit der Solarindustrie läuft aktuell nicht rund.
Auch daher richtet das Unternehmen den Fokus bei Investitionen eher auf das Geschäft mit der Halbleiterbranche. Zugleich steckt das Unternehmen viel Geld in den Ausbau des Geschäfts mit Spezialchemikalien und mit Biotech-Produkten. Insgesamt sollen die Investitionen 2023 auf rund 650 Millionen Euro steigen./mis/nas/zb