ESSEN (dpa-AFX) - Weniger PowerPoint-Folien und mehr Unterstützung für die Geschäftsbereiche aus der Finanzzentrale: So stellt sich Maike Schuh, neue Finanzchefin des Chemiekonzerns Evonik, die Zukunft vor. "Ich kenne die operativen Nöte, weiß, wo die Sparten mehr Unterstützung benötigen, auch bei den Finanzfunktionen", sagte Schuh in einer Gesprächsrunde mit Journalisten am Mittwochabend in Essen. So sollen dann auch die Wachstumsziele erreicht werden.
"Für das schwierige Jahr 2023 haben wir uns ambitionierte Ziele gesetzt. Klar ist aber auch: Ab 2024 müssen wir bei Gewinn und Kapitalrendite wieder deutlich besser werden. Auf dem aktuellen Niveau entsprechen sie sich nicht dem, was wir uns dauerhaft vornehmen und was man von Spezialchemiegeschäften erwarten muss."
Die 49-jährige Managerin war nach Stationen als Steuerexpertin bei der Beratungsgesellschaft KMPG und dem Technologiekonzern Heraeus 2015 zu Evonik gewechselt und hatte dort zunächst das Rechnungswesen geleitet. Ab 2020 verantwortete die studierte Juristin dann Finanzen, Personal und Strategie der Sparte Performance Materials, deren Führung sie 2022 übernahm. In dem Bereich hatte Evonik die Geschäfte mit Standardchemikalien gebündelt, die im Zuge der Fokussierung auf die profitablere Spezialchemie schrittweise verkauft werden.
Anfang April übernahm sie die Konzernfinanzen von Ute Wolf. Auf deren Arbeit will sie aufsatteln. Das Konzern-Controlling müsse zu einem echten strategischen "Sparringspartner" der Geschäftseinheiten werden, der ausreichend Handlungsempfehlungen geben kann, sagte Schuh. Sie mehr Ursachenanalyse, warum es hier und da beim Wachstum hapert. Dafür brauche es weniger PowerPoint-Präsentationen, sondern eine noch tiefere Analyse und Aufbereitung der für die Steuerung der einzelnen Geschäfte relevanten Kennziffern.
Während ihrer Zeit in der Sparte Performance Materials habe sie irgendwann gesagt, "kein PowerPoint mehr" - und das funktioniere über weite Strecken auch. Zum Einsatz kam stattdessen eine mit Controlling-Software gekoppelte App zur schnellen und unkomplizierte Veranschaulichung von Kennziffern. "Und das will ich nun auch für die ganze Evonik."
All das soll den Geschäftsbereichen helfen, die Wachstumsziele zu erreichen. Und genau das braucht es, um bei Investoren wieder mehr Anklang zu finden. So läuft die Evonik-Aktie dem Markt schon lange hinterher.
In den vergangenen fünf Jahren fiel der Kurs um mehr als ein Drittel, während der europäische Branchenindex Stoxx Europe 600 Chemicals
Gleichzeitig muss Schuh den Konzernumbau im aktuell schwierigen Konjunkturumfeld mit vorantreiben. Die Nachfrage in der Branche brach gegen Ende letzten Jahres ein, die unsicheren Konjunktur trieb die Menschen zum Sparen. Zugleich saßen viele Kunden - auch von Evonik - auf recht vollen Lagern, die erst einmal geräumt werden mussten. Hinzu kommen weiterhin hohe Energiepreise in Europa, auch wenn der ganz große Energiepreisschock infolge des Ukraine-Krieges und ausbleibender russischer Erdgaslieferungen erst einmal überwunden ist.
In diesem Umfeld gilt es, die Balance zwischen Kostendisziplin und den Investitionen in künftiges Wachstum wahren. Wie seit rund einem Jahr bekannt, will Evonik reichlich Geld in erhoffte Wachstumsfelder stecken. Drei Milliarden Euro sind bis 2030 geplant für umweltfreundlichere Produkte, die bis dahin die Hälfte zum Konzernumsatz beisteuern sollen. Weitere 700 Millionen Euro fließen in die Weiterentwicklung von Produktionsprozessen und in die Infrastruktur, etwa um die CO2-Emissionen zu senken. Auch größere Übernahmen könnten perspektivisch wieder auf die Agenda rücken.
Schwerpunkt bleibt zunächst aber die Trennung vom Geschäft mit Standardchemikalien der Sparte Performance Materials. Erst jüngst hat Evonik einen Käufer für den Standort Lülsdorf südlich von Köln gefunden, wo Cyanurchlorid für Pflanzenschutzmitteln sowie von Kaliumderivate für die Lebensmittel-, Futtermittel- und Pharmaindustrie hergestellt werden.
Für die beiden größeren Bereiche Super Absorber mit saugstarken Materialien etwa für Windeln sowie den C4-Verbund rund um petrochemische Zusätze für Kautschuk, Kunststoffe und Spezialchemikalien soll weiterhin bis Jahresende Klarheit herrschen. Für das Super-Absorber-Geschäft wurden laut Schuh erste, kurz gefasste Angebotsunterlagen jüngst an potenzielle Interessenten verschickt./mis/stw/zb