ESSEN (dpa-AFX) - Das schwache wirtschaftliche Umfeld setzt den Spezialchemiekonzern Evonik
Evonik reihe sich in die lange Liste europäischer Chemiekonzerne ein, die unter den schwachen Bedingungen litten, schrieb Analyst Chris Counihan von der Investmentbank Jefferies. Baader-Bank-Experte Konstantin Wiechert hatte eigenen Angaben zufolge bereits mit einer Gewinnwarnung gerechnet. Allerdings fielen die gestutzten Ziele nun noch schwächer aus als von ihm ohnehin befürchtet.
Die gesamte Chemieindustrie bekam vor allem nach dem Jahreswechsel eine Zurückhaltung der Kunden zu spüren, die wegen der Wirtschaftsflaute sowie prall gefüllter Lager weniger bestellten. Nun plant Kullmann nur noch einen um Sondereffekte bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen zwischen 1,6 und 1,8 Milliarden Euro ein. Bisher hatte Evonik noch das untere Ende der alten Spanne von 2,1 bis 2,4 Milliarden Euro angepeilt.
Evonik erwartet auch über das zweite Halbjahr eine anhaltend schwache Nachfrage ohne jegliche wirtschaftliche Erholung, wie es hieß. Den Jahresumsatz taxiert der Konzern jetzt auf 14 bis 16 Milliarden Euro nach zuvor 17 bis 19 Milliarden.
Die Nachfrage blieb im zweiten Quartal über alle Endmärkte hinweg sehr schwach, der Lagerabbau bei den Kunden setzte sich fort. Insgesamt verharrten die verkauften Mengen auf dem sehr niedrigen Niveau des Vorquartals. Zwar konnte Evonik das operative Ergebnis laut vorläufigen Zahlen gegenüber den drei Monaten zu Beginn des Jahres mit 430 bis 450 Millionen Euro voraussichtlich leicht steigern. Das wäre gegenüber dem Vorjahreszeitraum (728 Mio Euro) aber ein Minus von bis zu gut 40 Prozent. Allerdings hatten Experten auch nur mit 448 Millionen gerechnet.
Dabei stützten laut Unternehmensangaben die eingeleiteten Sparbemühungen. In der zweiten Jahreshälfte 2022 hatte das Unternehmen den Rotstift bei den Kosten angesetzt: Frei werdende Stellen werden nicht nachbesetzt, externe Dienstleister sollen sparsamer beauftragt werden und bei den Reisekosten zieht Evonik ebenfalls die Zügel straffer. Nach den ersten sechs Monaten kappt Finanzchefin Maike Schuh nun erneut die Investitionsausgaben, die statt 900 Millionen Euro nur noch 850 Millionen Euro betragen sollen. So will die Managerin die Auswirkungen auf den freien Mittelzufluss (Free Cashflow) im Rahmen halten. Dafür werden weitere Projekte verschoben und auch Kürzungen vorgenommen.
Die schwache Nachfrage ließ in den Monaten April bis Juni den Umsatz auf knapp unter 4 Milliarden Euro fallen - ein Jahr zuvor hatte Evonik noch 4,8 Milliarden Euro an Erlös verbucht. Analysten hatten laut dem Unternehmen etwas mehr Geschäft erwartet. Den vollständigen Quartalsbericht legt das Unternehmen am 10. August vor.
Vor allem in den Sparten für Nahrungsmittelwirkstoffe (Nutrition & Care) sowie für innovative Materialien (Smart Materials) lief es schlechter. Im Nahrungsmittelgeschäft fielen die Preise für das Tierfuttereiweiß Methionin weiter leicht - allerdings sei für das dritte Quartal eine stabilere Situation abzusehen, hieß es. Bei den Innovationsmaterialien belastete ein geplanter Wartungsstillstand beim Kunststoff Polyamid, ab Juli stünden nun aber sowohl die erste als auch die neue zweite Anlage zur Verfügung./men/jcf/he