HANNOVER (dpa-AFX) - Nach dem Elektro-Bulli ID Buzz will Volkswagen
Bisher hatte die VW-Transportersparte mit Sitz in Hannover bei der E-Mobilität vor allem auf den 2022 gestarteten ID Buzz gesetzt, von dem es im kommenden Jahr auch eine Langversion und eine sportliche Variante geben soll. Dass jetzt die gesamte Flotte elektrifiziert wird, ist Folge eines geplatzten Großauftrags von Audi: Eigentlich wollte die Ingolstädter Konzernschwester ab 2026 ein neues Elektro-Topmodell in Hannover bauen lassen. Doch im September zog Audi den Auftrag ab. Als Ersatz erhielt VW Nutzfahrzeuge vom Konzern den Zuschlag für seine eigene Elektro-Plattform.
Das schaffe die Möglichkeit, die gesamte Flotte zu elektrifizieren. Auf der neuen Plattform könne erstmals eine ganze Fahrzeugfamilie entwickelt werden. "Das wäre mit der Plattform, auf die der ID Buzz aufbaut, schlicht nicht möglich gewesen." Denn der E-Bulli teilt sich die Technik noch mit dem Elektro-SUV ID.4 der Pkw-Sparte. Der bis 2022 in kleiner Stückzahl angebotene E-Crafter war sogar nur ein auf Elektro umgebauter Verbrenner. Die neue Plattform sei daher am Ende deutlich besser als der weggefallene Audi-Auftrag, ist Intra überzeugt. "Wir stärken jetzt unsere eigene Nutzfahrzeugkompetenz mit der eigenen Plattform. Das hatten wir so noch nie."
Für VW Nutzfahrzeuge sei das ein radikaler Kursschwenk. "Wir haben unsere Strategie komplett umgestellt", sagte Intra. "Von viel Fremdfertigung für andere Marken hin zu eigenen Produkten." Dadurch halte man jetzt alle Fäden selbst in der Hand. "Was wir jetzt haben, ist tatsächlich eine Vision für die nächsten 15 bis 20 Jahre." Das werde den Wegfall des Audi-Auftrags am Ende mehr als ausgleichen.
Anders als in der Pkw-Sparte, die unter Produktionsausfällen und hohen Kosten leidet, laufen die Geschäfte bei VW Nutzfahrzeuge nach Aussagen Intras derzeit gut. "2023 wird ein sehr starkes Jahr werden, da bin ich mir sicher", sagte er. "Wir denken sogar, dass es ein Rekordjahr werden könnte, was das Ergebnis angeht." Denn nach den Lieferengpässen der vergangenen Jahre laufe die Produktion jetzt wieder, und man arbeite den hohen Auftragsbestand ab.
Noch bis Mitte 2024 sei man mit bisherigen Bestellungen ausgelastet. So weitergehen werde es danach nicht. "Die nächsten zwei, drei Jahre werden sicherlich schwerer werden", sagte der Markenchef mit Blick auf die Konjunktur. "Da werden wir uns etwas strecken müssen."
Das zehn Milliarden Euro schwere Sparpaket, über das in Wolfsburg gerade mit dem Betriebsrat verhandelt wird, betreffe die Nutzfahrzeugsparte nicht, betonte Intra. In die Verhandlungen sei man nicht einbezogen, die angepeilte Summe beziehe sich nur auf die Pkw-Sparte. "Wir haben ja bereits unser eigenes Strategieprogramm, das wir Grip nennen." Das laufe seit 2021 mit guten Resultaten: "Wir kommen sogar schneller voran als ursprünglich geplant."
Er sehe daher keinen Grund, hier noch einmal nachzulegen, sagte Intra. Auch beim Personal bleibe man dabei, bis 2029 von einst 15 000 auf gut 10 000 Mitarbeiter zu reduzieren - ohne Entlassungen, indem freiwerdende Stellen nicht besetzt werden. "Und dieses Team werden wir dann auch gut beschäftigen können."
Wann VW Nutzfahrzeuge komplett aus dem Verbrenner aussteigt, ließ Intra offen. "Das werden letztendlich die Kunden entscheiden." 2030 wolle man aber bereits auf mehr als 55 Prozent Elektro-Anteil kommen. "Wann es 100 Prozent werden, wird am Ende der Markt entscheiden." Mit der neuen Elektro-Plattform, die nun für die "Space"-Familie entwickelt wird, könne man hier aber jederzeit flexibel reagieren.
Offen ließ Intra auch, wann der 2021 angekündigte Elektro-Camper ID California auf Basis des ID Buzz anläuft. "Das Konzept ist im Prinzip fertig. Aber wir müssen abwarten, bis ein solches Fahrzeug wirklich breit gefordert wird. Noch sehen wir das nicht." Mit einem Start des Elektro-Reisemobils rechne er daher erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts. "Sicherlicht nicht vor 2025. Und auch nicht nach 2030."/fjo/DP/he