(Neu: Absätze 12 und 13 mit Hinweis "FT" zu Lobby-Arbeit und Hintergrund dazu)
LEVERKUSEN/LONDON (dpa-AFX) - Bayer
"Viele, auch wir haben eine Aufspaltung von Bayer erwartet", schrieb Analyst Peter Spengler von der DZ Bank in einer ersten Einschätzung. Damit entfalle nun ein Kurstreiber. "Allerdings gibt es meist keine schnellen und einfachen Lösungen für bestehende Probleme." Der Ansatz, das Unternehmen operativ zu verbessern, erscheine vielversprechend, allerdings auch langfristig angelegt.
Bayer-Chef Bill Anderson sieht im Konzern gleich mehrere Problemfelder, bei denen es dringenden Handlungsbedarf gebe: Patentabläufe und die Pipeline neuer Wirkstoffe in der Pharmasparte, die US-Rechtsstreitigkeiten rund um den Unkrautvernichter Glyphosat und der Chemikalie PCB, hohe Schulden sowie eine hierarchische Bürokratie. "Diese vier Herausforderungen schränken unsere Handlungsmöglichkeiten stark ein - egal ob mit drei Divisionen oder mit weniger Geschäftsfeldern."
Ein Verkauf der Sparte Consumer Health rund um rezeptfreie Medikamente könnte zwar eine attraktive Option sein, um Schulden zu tilgen, so Anderson. Eine Trennung wäre aber mit hohen Kosten und Steuereffekten verbunden. Zudem generiere die Sparte beständige Geldzuflüsse.
Statt einer Veräußerung oder gar einer zeitaufwändigen Aufspaltung des Konzerns will der Vorstandsvorsitzende den Fokus auf einen internen Umbau legen. Denn beides gleichzeitig gehe nicht.
Sollte der Aktienkurs sich allerdings nicht spürbar und dauerhaft erholen, werde das Thema Aufspaltung von Consumer Health schnell wieder auf die Tagesordnung kommen, glaubt unterdessen Markus Manns, Fondsmanager bei Union Investment.
Im Fokus bei Bayer steht nun erst einmal das neue Organisationsmodell, durch das ab 2026 jährlich zwei Milliarden Euro an Organisationskosten eingespart werden sollen. Von bis zu zwölf Hierarchie-Ebenen zwischen dem Vorstandschef und den Kunden sollen fünf bis sechs Ebenen bleiben, erklärte Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektorin Heike Prinz auf der Bilanzpressekonferenz. Eine Führungskraft solle dann für mindestens 15 Beschäftigte verantwortlich sein. Zum Vergleich: Aktuell leiteten mehr als 30 Prozent von 17 000 Führungskräften kleine Teams mit vier oder weniger Mitarbeitern.
Für Deutschland hatte Bayer bereits im Januar einen erheblichen Personalabbau in Aussicht gestellt. Wie viele der rund 22 200 Beschäftigten hierzulande betroffen sein werden, ist aber unklar.
Mit Blick auf die Rechtsstreitigkeiten in den USA sollen neue Ansätze verfolgt werden, um rechtliche Risiken zu reduzieren, wie Bayer weiter mitteilte. Anleger kritisieren schon lange, dass es dem Konzern bisher nicht gelang, unter die Glyphosat-Problematik einen Schlussstrich zu ziehen.
Per Ende Januar waren rund 54 000 Fälle offen, 2000 mehr als im Oktober. Die auch dafür gebildeten Rückstellungen beliefen sich per Ende 2023 noch auf 6,3 Milliarden US-Dollar (5,7 Mrd Euro). Die Probleme hatte Bayer unter der Führung von Werner Baumann 2018 mit der über 60 Milliarden Dollar teuren Übernahme der US-Firma Monsanto zu sich ins Haus geholt.
Mittlerweile wurden neue Kanzleien beauftragt und mit der Juristin Lori Schechter soll eine Rechtsexpertin in den Aufsichtsrat einziehen. "Jedes negative Urteil werden wir anfechten", sagte Anderson. "Aber es ist klar, dass eine Verteidigungsstrategie allein nicht ausreicht." Vielmehr gehöre dazu "auch eine intensivere Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im Bereich der Politik." Was genau das bedeutet, ließ er offen.
Am Montag hatte die "Financial Times" berichtet, Bayer ziele in den USA mit Lobby-Arbeit auf rechtliche Änderungen in Bundesstaaten ab. Dabei gehe es darum, den Vorrang von Bundesgesetzen vor dem Recht von Bundesstaaten bei der Kennzeichnung von Unkrautvernichtern wie Roundup zu bekräftigen.
Das Thema ist schon lange zentral. Denn Bayer argumentiert, die US-Umweltbehörde EPA als Bundesbehörde habe festgestellt, dass Roundup nicht krebserregend sei und das Produktlabel entsprechend ohne Warnung genehmigt. Daher verhindere Bundesrecht auch in einzelnen US-Staaten Schadenersatzansprüche wegen angeblich mangelhafter Warnungen vor Krebsrisiken.
Das Thema Glyphosat lastet seit Jahren auf dem Aktienkurs. Vor dem ersten Urteil gegen Bayer im Sommer 2018 hatten die Papiere gut 93 Euro gekostet, aktuell sind es nicht einmal 28 Euro. An der Börse ist Bayer damit 27,5 Milliarden Euro wert - deutlich weniger als das, was allein für Monsanto gezahlt wurde.
Im Tagesgeschäft zeichnet sich derweil erst einmal keine schnelle Erholung ab. Bayer
2023 bekam Bayer unter anderem niedrigere Glyphosat-Preise sowie ein schwächeres Pharmageschäft in China zu spüren. Zudem steckte das Unternehmen mehr Geld in die Entwicklung von Zell- und Gentherapien, die das Pharmageschäft auf längere Sicht beleben sollen. Das operative Ergebnis sank 2023 um 13,4 Prozent auf 11,7 Milliarden Euro, bedingt auch durch negative Währungseffekte in Höhe von 375 Millionen Euro. Gleichwohl übertraf Bayer mit dem operativen Ergebnis die durchschnittliche Analystenschätzung.
Bereinigt um Effekte aus Wechselkursveränderungen peilt der Dax-Konzern 2024 zudem ein Umsatz von 47 Milliarden bis 49 Milliarden Euro an. 2023 fiel der Wert um 6,1 Prozent auf 47,6 Milliarden Euro. Negative Währungseffekte sowie Kauf und Verkauf von Unternehmensteilen ausgeklammert, ergab sich ein Minus von 1,2 Prozent.
Unter dem Strich fiel auch wegen hoher Wertberichtigungen in der Agrarsparte ein Verlust von 2,9 Milliarden Euro an - nach einem Plus von 4,2 Milliarden im vorangegangenen Jahr. Die Dividende fällt von 2,40 auf 0,11 Euro je Aktie. Die Senkung der Ausschüttung hatte Bayer angesichts der hohen Schulden bereits im Februar angekündigt./mis/tav/stk