ROUNDUP: Preissprung bei der Schienenmaut - was das bedeutet
BERLIN (dpa-AFX) - Für Zugfahrten auf dem deutschen Schienennetz müssen Nutzungsgebühren bezahlt werden - diese Trassenpreise, eine Schienenmaut, sollen im kommenden Jahr stark steigen. Das trifft vor allem den Schienengüter- sowie den Fernverkehr. In der Branche gibt es gegen die Erhöhung Proteste. Von einer "Verlagerungsbremse" im Wettbewerb mit dem Lkw ist die Rede. Aber auch für Privatreisende im Fernverkehr könnte die höhere Schienenmaut Folgen haben. Die Grünen fordern gesetzliche Änderungen, um die Trassenpreise zu senken. Und selbst die Bahn ist besorgt.
Ein Sprecher des Verkehrsministeriums sagte, die Bundesregierung habe die Auswirkungen der Trassenpreisanpassung auf Nah-, Fern- und Güterverkehr eng im Blick. So setze sich das Ministerium in den laufenden Haushaltsverhandlungen intensiv dafür ein, kurzfristig Mittel zur Bezuschussung von Trassenpreisen im Personenfern- und Güterverkehr zu sichern. "Weil das aber keine dauerhafte Lösung sein kann, müssen wir langfristig auch eine grundlegende Überarbeitung der Trassenpreissystematik in Betracht ziehen. Hierzu werden derzeit verschiedene Ansätze geprüft, um perspektivisch das Trassenpreissystem zu modifizieren."
Bahn befürchtet stagnierende Nachfrage
Die hohe finanzielle Mehrbelastung vor allem des Güter- und des Fernverkehrs könnten zu einer stagnierenden Nachfrage auf dem Schienennetz führen, sagte der Chef der neuen Bahn-Infrastrukturgesellschaft InfraGo, Philipp Nagl, der Deutschen Presse-Agentur. "Wir müssen mit dem Bund Lösungen finden, um die überproportionalen Entgeltsteigerungen im Schienengüterverkehr und im Schienenpersonenfernverkehr zu begrenzen", fügte er hinzu.
Bei den Trassenpreisen handelt es sich um Gebühren, die von der InfraGo erhoben werden. Alle Unternehmen, die die Infrastruktur der Bahn nutzen, müssen sie zahlen, auch die Verkehrsunternehmen der Bahn selbst. Konkret geht es je nach Nutzungsart um einen bestimmten Betrag pro Trassenkilometer. "Mit diesen Mitteln finanzieren wir die laufenden Kosten für den Betrieb, die Instandhaltung und die Investitionsbeiträge der DB in das mehr als 33 000 Kilometer lange Schienennetz in Deutschland", erläuterte Nagl.
Deutliche Steigerungen der Schienenmaut
Die Bundesnetzagentur genehmigte vor wenigen Tagen eine deutliche Erhöhung der Trassenpreise für 2025 - im Durchschnitt um 6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das Problem: Obwohl der Regionalverkehr für den meisten Verkehr auf der Schiene verantwortlich ist, darf er aufgrund einer gesetzlichen Regelung nur in geringem Umfang belastet werden. Die Netzagentur genehmigte für dieses Segment lediglich eine Erhöhung von 0,6 Prozent bei den Trassenpreisen.
Fern- und Güterverkehr werden deshalb im kommenden Jahr überproportional zur Kasse gebeten. Um 16,2 Prozent erhöhen sich die Trassenpreise für den Güter- und um 17,7 Prozent für den Fernverkehr. Aus Sicht der Branche ist das ein schwerer Schlag für die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene gegenüber der Straße.
Die zuständige Beschlusskammer der Bundesnetzagentur schrieb, die Preissprünge seien nicht rechtswidrig und keine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung - und verwies zudem auf hohe Preissteigerungen in anderen Bereichen.
Breite Kritik
Die Preissprünge lösten aber breiten Protest aus. "Jedes Jahr höhere Preise für weniger Qualität im Schienennetz und ungenügenden Service", sagte etwa Neele Wesseln, Geschäftsführerin des Verbands Die Güterbahnen, in dem Bahn-Wettbewerber organisiert sind. "Die historisch einmaligen Steigerungen der Trassenpreise, die die Unternehmen jetzt hinnehmen sollen, sind das Ergebnis jahrelanger fehlgesteuerter Verkehrspolitik des Bundes." Ein Eingreifen der Politik sei überfällig, um die Transportwende zu retten.
"Bis dahin müssen Güterbahnen um ihre Existenz bangen: plötzliche Mondpreise für immer unzuverlässigere Trassen sind ihren Kunden nicht zu vermitteln - es ist abzusehen, dass wieder mehr mit dem Lkw transportiert wird", sage Wesseln weiter.
"Die Trassenpreise in Deutschland sind bereits die höchsten in Europa", teilte wiederum das Unternehmen Flixtrain mit, einer der wenigen Wettbewerber der Deutschen Bahn im Fernverkehr. "Sie dürfen keinesfalls weiter steigen und müssen mittelfristig runter auf Grenzkostenniveau. Davon würden nicht nur alle Anbieter profitieren, sondern durch ein verbessertes Gesamtangebot vor allem die Fahrgäste."
Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz Pro Schiene, kritisierte, der Bund habe sich ambitionierte Ziele zur Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene gesetzt. "Stark steigende Trassenpreise sind allerdings eine echte Verlagerungsbremse." Der Anteil der Schiene am Güterverkehr liegt aktuell bei knapp 20 Prozent. Ziel der Bundesregierung ist es, ihn bis 2030 auf mindestens 25 Prozent zu steigern.
Staatliche Zuschüsse gekürzt
Für Kritik sorgten bereits Kürzungen bei staatlichen Zuschüssen zu den Trassenpreisen. Vor dem Hintergrund von Haushaltszwängen nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sanken die Zuschüsse für dieses Jahr deutlich auf 229 Millionen Euro. InfraGo-Chef Philipp Nagl schlägt vor, über eine höhere Trassenpreisförderung des Bundes die Mehrbelastung zumindest im Schienengüterverkehr auf sechs Prozent zu begrenzen.
Grüne fordern Änderungen
In der Politik werden hingegen weitergehende gesetzliche Reformen verlangt. Die Grünen-Haushälterin und Verkehrsexpertin Paula Piechotta sagte: "Der Schienengüterverkehr und der Personenverkehr sollen durch die Korridorsanierungen erheblich gestärkt werden. Dies würde konterkariert, wenn die Nutzung der Schiene durch die mit der Eigenkapitalerhöhung verbundenen Trassenpreissteigerungen wirtschaftlich unattraktiver wird. Eine Anpassung des Eisenbahnregulierungsgesetzes ist hier die sauberste Lösung."
Eine sogenannte Korridorsanierung hoch belasteter Bahnstrecken soll ein wichtiger Schritt werden, damit das Netz weniger störanfällig wird und Züge pünktlicher fahren. Um dafür zusätzlich Geld zu mobilisieren, plant die Bundesregierung eine Eigenkapitalerhöhung bei der bundeseigenen Deutschen Bahn von bis zu 20 Milliarden Euro. Das könnte später noch einmal zu höheren Trassenpreisen führen./hoe/DP/mis