FRANKFURT/LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Der seit fast einem Jahr amtierende Bayer
"Herr Anderson, Sie haben diese Probleme nicht selbst zu verantworten, sondern von Ihrem Vorgänger geerbt. Aber Sie stehen jetzt in der Verantwortung, Lösungen dafür zu finden", sagte der bei der Fondsgesellschaft Union Investment für die Ausrichtung von ESG-Fonds verantwortliche Werning. Denn die Aktionäre leisteten mit einem fast kompletten Dividendenverzicht für drei Jahre schon ihren Beitrag, damit Bayer finanziell wieder auf die Beine komme.
Wegen des immensen finanziellen Drucks milliardenschwerer US-Rechtsstreitigkeiten hatte Bayer im Februar angekündigt, für drei Jahre nur das gesetzlich geforderte Minimum als Dividenden auszuschütten. Für 2023 sind das elf Cent je Aktie.
Die Klagewelle in den USA wegen angeblicher Krebsrisiken glyphosathaltiger Unkrautvernichter beschäftigt den Konzern seit Jahren und hat schon Milliarden verschlungen. Analysten sehen zudem Milliardenrisiken durch US-Klagen im Zusammengang mit schon seit Jahrzehnten verbotenen Umweltgift PCB. Beides ist Erbe des 2018 für über 60 Milliarden US-Dollar übernommenen US-Agrarchemiekonzerns Monsanto, den der damalige Bayer-Chef Werner Baumann auch gegen den Widerstand nicht weniger Investoren durchgeboxt hatte. Zum Vergleich: Bayer ist an der Börse nach jahrelangem Kursverfall aktuell umgerechnet nur noch 26,5 Milliarden Euro (rund 28 Mrd Dollar) wert.
Angesichts der Rechtsprobleme fehlte Bayer in den vergangenen Jahren Geld, die Pharmasparte mit großen Übernahmen zu stärken. Zwar gab es zahlreiche kleinere und mittelgroße Deals, bis sich diese nachhaltig auszahlen, dürfte es aber noch länger dauern. In der Zwischenzeit nagt der schrittweise Wegfall von Patenten auf bisherige Medikamenten-Klassenschlager am Umsatz.
Anderson, der Bayer seit Juni 2023 führt, versucht indes Zuversicht zu verbreiten. "Es wird keine schnelle Lösung innerhalb eines Jahres sein, und es wird schwierige Momente geben", sagte er laut Redetext mit Blick auf das neue Führungsmodell, das mittelfristig angesichts des Abbaus von Managementstellen viel Geld sparen und Bayer schneller machen soll. "Aber ich bin überzeugt, dass es einen Weg gibt, die Wende bei Bayer zu schaffen", so Anderson weiter.
Deka-Manager Speich wünscht sich allerdings mehr. "Ja, Bayer muss schneller und schlanker werden. Aber gibt es nicht noch drängendere Themen?", fragt er. "Das Haus Bayer brennt lichterloh und Sie als Hausherr fangen zuerst einmal an aufzuräumen, anstatt die Brände zu löschen." Trotz aller Altlasten habe Anderson es versäumt, die nötigen Impulse zu setzen und den Kapitalmarkt von der neuen Strategie zu überzeugen.
Nicht wenige Investoren hatten nach dem Wechsel an der Bayer-Spitze auf eine Aufspaltung des Konzerns oder zumindest einen Spartenverkauf gesetzt. Dem hatte Anderson auf einem Kapitalmarkttag Anfang März aber eine Absage erteilt.
Eine komplette Aufspaltung wäre zeitaufwendig und angesichts der Rechtsprobleme des Agrargeschäfts wohl nur unter großen Zugeständnissen möglich. Und eine Trennung vom Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten wäre laut Anderson mit hohen Kosten und Steuereffekten verbunden. Zudem generiert die Sparte beständige finanziellen Zuflüsse - Geld, das Bayer gut gebrauchen kann.
Angesichts dieser Probleme fordert Deka-Experte Speich denn auch zunächst eine Reduzierung der Rechtsrisiken. Und Werning von Union Investment sagt auch mit Blick auf die Klagen: "Solange diese Kontroverse besteht, ist Bayer für unsere nachhaltigen Publikumsfonds nicht investierbar."
Bayer arbeitet an dem Thema - laut einem Artikel des "Manager Magazin" - mittlerweile stärker mit Lobbyarbeit in der US-Politik. Gleichzeitig erwägt das Unternehmen laut Insidern ein juristisches Manöver. Der Dax