(neu: Details, Analysten, Aktienkurs)
MÜNCHEN (dpa-AFX) - Der angeschlagene Energietechnikkonzern Siemens Energy
Für das Verluste schreibende Windgeschäft Siemens Gamesa wurde zudem ein weitreichender Sanierungsplan vorgelegt, der den Turbinenbauer wieder in die schwarzen Zahlen führen soll. Dies wird jedoch Jahre dauern. Der Plan beinhaltet unter anderem Kapazitätsanpassungen und ein Stellenabbau im Geschäft mit Landturbinen. Zudem überraschte Siemens Energy mit einem Managementwechsel bei Gamesa: Chef Jochen Eickholt, der das Sanierungsprogramm maßgeblich mitverantwortet, wird zum Jahresende ausscheiden. Siemens Energy begründete dies mit einem "Generationenwechsel".
Die in den letzten Jahren stark gebeutelte Aktie von Siemens Energy verzeichnete am Mittwoch einen Kurssprung. Mit einem Plus von 12 Prozent auf mehr als 22 Euro führte das Papier am Vormittag die Gewinnerliste im Leitindex Dax
In der zweiten Jahreshälfte 2023 war der Siemens-Energy-Kurs vor allem wegen Gamesa deutlich eingebrochen. Wurden im Juni des vergangenen Jahres noch Kurse knapp über dem nun wieder erreichten Kursniveau bezahlt, sackte der Aktienwert bis Ende Oktober auf ein Rekordtief von nur noch 6,40 Euro ab. Seitdem hat sich der Kurs mittlerweile schon wieder mehr als verdreifacht.
Nach den zahlreichen Gewinnwarnungen, die es zuletzt gab, sendet das Unternehmen damit wieder bessere Nachrichten, wie es am Markt hieß. Für Akash Gupta von der US-Bank JPMorgan war es die größte positive Überraschung, dass das Unternehmen nun im Gesamtjahr mit einem klar positiven Mittelzufluss rechnet. Jefferies-Experte Simon Toennessen zeigte sich davon ebenfalls beeindruckt. Im zweiten Quartal seien der Mittelzufluss und der Auftragseingang stark gewesen, die Zahlen insgesamt besser ausgefallen als erwartet. UBS-Analystin Supriya Subramanian geht nach der Prognoseerhöhung nun davon aus, dass die Gewinnerwartungen des Marktes im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich steigen dürften.
Berenberg-Experte Philip Buller notierte zudem, dass es keine weiteren schlechten Nachrichten bei Siemens Gamesa gegeben habe, auch wenn die Zahlen weiter schlecht seien. Er verwies dabei auch auf den Sanierungsplan des Windanlagenbauers und die angekündigte Rückkehr der Landturbinen 4.X und 5.X in den Verkauf. Den Chefwechsel bei Gamesa bezeichnete er als "vernünftig", er komme seiner Ansicht nach ein Jahr früher als vorgesehen. Jedoch dürfte dies gut aufgenommen werden. Nachfolger Vinod Philip, bislang zuständig für Zentralfunktionen und maßgeblich an der Integration von Gamesa beteiligt, sei eine gute Wahl.
Die Entwicklung im zweiten Geschäftsquartal zeuge "von der anhaltend starken Nachfrage nach unserer Energiewende-Technologie sowie ersten Erfolgen bei der Stabilisierung des Windgeschäfts", sagte Konzernchef Christian Bruch. Dabei profitierte der Konzern insbesondere von einem stark laufenden Netzgeschäft. Statt um 3 bis 7 Prozent soll der Umsatz 2023/24 (per Ende September) auf vergleichbarer Basis nun um 10 bis 12 Prozent wachsen - ein Unterschied im Milliardenbereich. Dabei ausgeklammert sind Währungs- und Portfolioeffekte.
Bei der operativen Marge vor Sondereffekten hob das Management die untere Spanne an und erwartet zwischen minus einem und plus einem Prozent. Bislang war Siemens Energy im schlechtesten Fall von minus zwei Prozent ausgegangen. Auch beim Mittelzufluss nach Steuern zeigte sich das Unternehmen deutlich optimistischer.
Im zweiten Quartal erzielte Siemens Energy ein vergleichbares Umsatzwachstum von 3,7 Prozent auf rund 8,3 Milliarden Euro. Der Auftragseingang sank hingegen auf vergleichbarer Basis um 22 Prozent auf 9,5 Milliarden Euro. Dafür waren in erster Linie fehlende Orders von Siemens Gamesa verantwortlich, wo derzeit Verkäufe von bestimmten Landturbinen wegen Qualitätsmängel noch ausgesetzt sind. Für die betroffenen Turbinen soll der Vertrieb zum Ende des Geschäftsjahres (4.X) beziehungsweise 2025 (5.X) wieder aufgenommen werden, kündigte Bruch an.
Das bereinigte operative Ergebnis legte von 41 Millionen auf 170 Millionen Euro zu. Das Netzgeschäft verzeichnete dabei einen Gewinnsprung. Nach Steuern verdiente Siemens Energy 108 Millionen Euro, dabei profitierte das Unternehmen auch von dem Verkauf von Geschäftsbereichen. Im Vorjahr hatte noch ein Verlust von 189 Millionen Euro zu Buche gestanden.
Die kriselnde Wind-Tochter Gamesa schrieb weiter Verluste, diese fielen jedoch nicht so hoch aus wie von Analysten erwartet. Das Unternehmen hat am Mittwoch ein umfassendes Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, welches Gamesa bis zum Jahr 2026 wieder in die Gewinnzone führen soll. Dabei kommt es zu einem Wechsel an der Spitze des Windanlagenherstellers: Jochen Eickholt werde den Chefposten zum 1. August an Vinod Philip übergeben und nach einer Übergangsphase zum 30. September ausscheiden. Der 62-Jährige hatte vor rund zwei Jahren das Ruder bei der Verluste schreibenden Wind-Tochter übernommen.
"Bei Siemens Gamesa hat Jochen in einer sehr schwierigen Situation die zentralen Grundlagen für die dringend erforderliche Sanierung und den Neubeginn innerhalb von Siemens Energy geschaffen", sagte Bruch. Mit der nun beschlossenen Umsetzung des mehrjährigen Sanierungsplans sei jetzt auch der Zeitpunkt für einen Generationswechsel bei Gamesa gekommen.
Gamesa werde sowohl im Geschäft mit Landturbinen (Onshore) als auch mit Meeresanlagen (Offshore) bleiben, kündigte Siemens Energy an. Das seit Jahren kriselnde Onshore-Geschäft soll sich künftig auf die Kernmärkte Europa und USA konzentrieren, erklärte Bruch. Sonstige lokale Märkte würden im Neugeschäft nur noch dann bedient, wenn dies "im jeweiligen Fall wirtschaftlich sinnvoll ist". In diesem Zusammenhang will Siemens Gamesa Kapazitäten herausnehmen. Bei Offshore konzentriert sich die Tochter von Siemens Energy hingegen weiter auf den Hochlauf ihrer Kapazitäten. Zudem will Gamesa die Verantwortlichkeiten für das Neuanlagen- und das Service-Geschäft künftig zusammenfassen.
Außerdem sollen mit einem neuen Organisationsmodell unter anderem Hierarchien-Ebenen herausgenommen werden. Dies wird auch einen Stellenabbau nach sich ziehen. Dabei will Gamesa durch interne Arbeitsplatzwechsel möglichst viel des beabsichtigten Personalabbaus in den betroffenen Bereichen auffangen. Die genauen Auswirkungen der Stellenstreichungen, auch auf einzelne Länder und Standorte, könnten derzeit noch nicht beziffert werden. Im Zuge des Chefwechsels würden Eickholt und Philip in den kommenden Wochen die Einzelmaßnahmen finalisieren und über die nächsten Monate hinweg mit den jeweiligen Arbeitnehmervertretern besprechen und verhandeln. "Gamesa wird Zeit kosten", stellte Bruch klar./nas/lew/stk