FRANKFURT (dpa-AFX) - Das Wohl und Wehe an den Aktienmärkten dürfte in der neuen Woche eng an die Zinserwartungen geknüpft bleiben. Die jüngste Rekordjagd in der Hoffnung, dass in den USA bald Zinssenkungen erfolgen, wurde erst einmal abgeblasen. "Die jüngsten Daten zur US-Wirtschaft zeigen, dass diese für eine baldige Zinswende einfach zu stark ist", betonte die Helaba-Expertin Claudia Windt. Auch das Protokoll der letzten Zinssitzung der US-Notenbank galt als Stimmungsdämpfer.
Überraschend starke Einkaufsmanagerdaten schürten neue Inflationssorgen und schmälerten damit die Hoffnung, dass es noch vor den US-Wahlen Anfang November Zinssenkungen geben wird. "Argumente für sinkende Leitzinsen lassen sich derzeit nur schwer bemühen", fuhr Windt vor diesen Hintergründen fort. Der Dax
Aus der Seitwärtsspanne zwischen 18 600 und 18 900 Punkten, die der Dax 14 Tage nicht verlassen hatte, folgte am Freitag ein Test nach unten. Wenn auch nicht auf Rot, so ist die Börsenampel laut dem Finanzmarktexperten Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets "zumindest mal auf Gelb zurückgesprungen". Sollte der Dax unter das ehemalige Rekordhoch von 18 568 Punkten fallen, fürchtet er schnell ungemütliche Zeiten mit einer längeren Korrektur. Mit einem Tagestief von 18 515 Punkten sah es am Freitag schon kurz nach einem Test dieser Zone aus.
In den kommenden Tagen wird es also spannend, ob das Börsenmotto "Sell in May and go away" vielleicht doch noch greift, denn bislang ist der Mai mit einem Dax-Anstieg um fast vier Prozent ein sehr starker Monat. Laut dem Chefvolkswirt Carsten Klude von M.M. Warburg aber führen solch "einfache Regeln an der Börse selten zum Erfolg". Er stellte fest, dass der Mai in den letzten 44 Jahren kein schlechter Börsenmonat war. Gemessen am Dax sei die Verlustwahrscheinlichkeit kaum höher als in anderen Monaten.
Den Grund für die jüngste Aktienstärke sieht Klude in positiven Rahmenbedingungen. So habe die jüngste Berichtssaison gezeigt, dass die meisten Unternehmen höhere Gewinne erwirtschaftet haben als erwartet. Außerdem hätten sich die großen US-Technologieunternehmen wieder einmal als wahre Gelddruckmaschinen erwiesen, sagte er mit einem Seitenblick auf Nvidia
Klarheit über die künftige Inflation und Zinspotenziale könnte laut dem Robomarkets-Experten Molnar noch bis in den Herbst auf sich warten lassen. "Geldpolitisch hat sich zwar durch das Sitzungsprotokoll der Fed nicht wirklich viel geändert, aber es hat eben auch nicht dazu beigetragen, dass die Anleger die Zinswende 2024 fest in ihren Kalendern markieren können", sagte Molnar. Bis dahin werde es auch noch einige Konjunkturdaten geben, die näheren Aufschluss darüber geben.
Die ganz großen Hochkaräter aus den USA lassen diesbezüglich aber auf sich warten. Am Donnerstag dürfte die Revision des Bruttoinlandsprodukts im ersten Quartal im Mittelpunkt stehen und am Freitag warten Daten zu den privaten Einkommen und Ausgaben, mit denen ein für die Fed wichtiger Preisindex veröffentlicht wird. Die Dekabank rechnet damit, dass dieser im April ohne Nahrungsmittel und Energie um 0,3 Prozent gegenüber dem Vormonat angestiegen ist.
In der Eurozone wird es in der neuen Woche spannender: Am Montag steht das Ifo-Geschäftsklima im Mittelpunkt. Geht es nach dem Helaba-Experten Stefan Mütze, dürfte der Index im Mai zum vierten Mal in Folge steigen und eine Besserung der Konjunktur in Deutschland signalisieren. Aus Sicht von Expertin Windt kommt es im Wochenverlauf in hohem Maße darauf an, dass die Zuversicht keine Risse bekommt durch die Verbraucherpreisdaten aus Deutschland und der Eurozone.
Das Bankhaus Metzler erwartet, dass die Eurozonen-Inflation im Mai bei 2,4 Prozent verharrt und erst später weiter in Richtung der mittelfristigen Zielmarke von zwei Prozent der Europäischen Zentralbank fällt. "Die Gründe dafür sind die Entspannung der Lieferketten, die gefallenen Energiepreise sowie die schwache Konsumnachfrage", erklärte der Chefvolkswirt Edgar Walk vom Asset Management der Privatbank./tih/ag/jha/
--- Von Timo Hausdorf, dpa-AFX ---