WOLFSBURG (dpa-AFX) - Volkswagen
Blumes Redewendung vom "Europe Speed" spielt an auf die in den vergangenen Monaten oft benutzte Wendung "China Speed". Diese wird vor allem im Zusammenhang mit den schnellen Entwicklungszyklen heimischer Autofirmen in China verwendet. Europäische Autobauer haben oft Probleme, dem Tempo mit eigener Technik zu folgen und geraten besonders im schnell wachsenden Elektroautobereich in der Volksrepublik ins Hintertreffen. China ist der größte und wichtigste Automarkt weltweit, auch für die deutschen Hersteller.
Das neue Tempo ist Teil von Blumes Plan, den Konzern fit für die Zukunft zu machen und auf die Zeit nach dem Verbrennermotor vorzubereiten, mit denen die Wolfsburger bisher noch das meiste Geld verdienen. Von der Politik forderte Blume mehr Unterstützung für den Elektro-Kurs. "Wichtig ist, dass der Hochlauf der E-Mobilität von allen Seiten unterstützt wird. Auch seitens der Politik bedarf es einer klaren Haltung." Die Hersteller bräuchten jetzt vor allem Planungssicherheit. In der EU wurden zuletzt Stimmen laut, die ein Abrücken von dem Ziel fordern, 2035 komplett auf E-Autos umzustellen.
Produktion in Deutschland zu teuer
"Der 20 000-Euro-VW wird bei attraktivem Preis Maßstäbe in Sachen Design, Qualität, Ausstattung und Technologie setzen", sagte Oliver Blume mit Blick auf das neue Modell mit dem Arbeitstitel ID.1, für das der Vorstand am Vortag grünes Licht gegeben hatte. Und bauen werde VW es in Europa. Wo genau in Europa das Auto gebaut werden soll, ließ VW noch offen. Deutschland komme aber nicht Betracht, fügte Blume hinzu. Bereits den 2026 geplanten ID.2all für 25 000 Euro hatte VW aus Kostengründen an die Konzerntochter Seat nach Spanien vergeben.
Protest im Saal wie vor einem Jahr in Berlin musste Blume dieses Mal nicht befürchten. Der Konzern hatte seine Aktionäre vorsorglich nur digital zur Online-Hauptversammlung eingeladen. Protest von Klimaaktivisten gab es in Wolfsburg dennoch - aber nur im kleinen Umfang: Einige Aktivisten besetzten ein Dach am Tor, hängten Transparente auf und luden zu einer Kundgebung mit einigen wenigen Teilnehmern vor dem Werk. Im vergangenen Jahr hatten Klima- und Menschenrechtsaktivisten die Präsenz-Versammlung im Berlin CityCube noch empfindlich gestört, VW-Aufsichtsrat Wolfgang Porsche (80) wurde auf dem Podium nur knapp von einem Tortenwurf verfehlt.
Aktionärsvertreter kritisieren die Entscheidung, jetzt wieder rein virtuell zu tagen. "In Berlin mussten Sie sich vor der auf Sie zufliegenden Torte wegducken, und heute - im virtuellen Raum - ducken Sie sich vor Ihren Aktionären weg", sagte Ingo Speich von der DekaBank. "Das ist sehr bedauerlich und schadet nicht nur der Unternehmens-, sondern insbesondere der Aktionärskultur in Deutschland." Das während der Corona-Pandemie eingeführte Format dürfe nicht zum Regelfall werden, forderte auch Marc Liebscher von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger.
Blume will Doppelrolle behalten
Grund zur Sorge ist für Aktionärsvertreter weiter auch die Doppelfunktion von Blume, der seit fast zwei Jahren sowohl bei Porsche als auch bei VW an der Spitze steht. "Auch für einen Top-Manager hat der Tag nur 24 Stunden", sagte Janne Werning von Union Investment. "Ihr Vorgänger war mit einem Konzern schon mehr als ausgelastet und konnte die enormen Herausforderungen nicht meistern", fügte Ingo Speich von der DekaBank mit Blick auf den früheren VW-Chef Herbert Diess hinzu. Blume wies die Kritik zurück: Er sei sich der Doppelbelastung bewusst, sei aber überzeugt, dass sich die Funktionen ergänzten und beide Unternehmen davon profitieren. Er habe daher keine Pläne, dran etwas zu ändern.
Kritik gab es an der erneuten Kandidatur des Porsche-Enkels Hans-Michel Piëch für den VW-Aufsichtsrat, der mit 82 Jahren die eigentlich geltende Regelaltersgrenze von 75 Jahren längst überschritten hat. Seine Wiederwahl gilt dennoch als sicher. Die Mehrheitsverhältnisse bei Volkswagen sind klar verteilt: Die Stimmrechte liegen zu rund 90 Prozent bei den Hauptaktionären Porsche SE, Land Niedersachsen und dem Staatsfonds aus Katar. Die Vorzugsaktionäre - und damit der überwiegende Teil der Kleinanleger - haben auf der Hauptversammlung zwar Frage- und Rederecht, aber keine Stimme./fjo/men/DP/stw