ROUNDUP: Wirtschaft beklagt mangelnde Regionalentwicklung rund um Northvolt
HEIDE (dpa-AFX) - Wirtschaftsverbände haben wegen des Baus der Batteriefabrik des schwedischen Unternehmens Northvolt bei Heide mehr Tempo bei der Regionalentwicklung gefordert. "Das marode Schienennetz in Schleswig-Holstein droht nicht nur die Logistikpläne von Northvolt zu verhindern, sondern behindert die wirtschaftliche Entwicklung der Region insgesamt", erklärten die Industrie- und Handelskammer Flensburg, der Unternehmensverband Unterelbe-Westküste und die Kreishandwerkerschaft Dithmarschen am Mittwoch. Obwohl die Gründungsarbeiten für das Milliardenprojekt zügig voranschritten, seien entscheidende Voraussetzungen, damit die Region insgesamt von dem Großvorhaben profitiere, noch nicht geschaffen worden.
Besonders dringend sei der Ausbau der Infrastruktur, teilten die Verbände mit. Die soziale Infrastruktur - Wohnraum, Kitas und Schulen - müsse ebenso zügig ausgebaut werden. Obwohl das Land bereits im Oktober die Einrichtung eines Projektbüros zugesichert habe, hätten sich die beteiligten Akteure noch nicht auf den Zuschnitt und die Finanzierung geeinigt. "Dieser Zustand ist nicht nur in der Außenwirkung unhaltbar. Deshalb gilt es, die Differenzen sofort auszuräumen und das Projektbüro mit Sitz in Heide zügig zu etablieren." Es mangele vor Ort trotz viel Engagements und persönlichen Einsatzes an Managementerfahrung im Umgang mit komplexen Transformationsprozessen in Folge von Industrieansiedlungen dieser Größenordnung.
Die Bauarbeiten auf dem Gelände von Northvolt schreiten voran. Es sind nach Angaben eines Unternehmenssprechers bereits 1000 Pfähle im Rahmen der Gründungsarbeiten für das Werk gesetzt worden. "Die Analyse des Unternehmerverbands Unterelbe Westküste, der IHK und der Kreishandwerkerschaft Dithmarschen ist zutreffend", sagte Northvolts Deutschlandchef Christofer Haux. "Wir haben immer betont, dass eine Gigafabrik auch Gigainfrastruktur benötigt. Bei den vielen Herausforderungen, die dringlich angepackt werden müssen, hätte ein Projektbüro schon heute einen wertvollen Beitrag in der Koordination leisten können."
Schleswig-Holsteins Wirtschaftsstaatssekretärin Julia Carstens (CDU) sagte im Landtagsausschuss am Mittwoch, es bestehe Einigkeit darüber, dass sich das Projektbüro nicht allein auf Northvolt, sondern auch auf Folgeansiedlungen und strukturelle Auswirkungen konzentrieren soll. Am 12. Juni wolle die Region dem Land einen konkreten Vorschlag für das Projektbüro machen. Zur Verkehrsbelastung in der Region durch den Bau betonte Carstens, Ziel sei, die Verkehre zur Baustelle möglichst störungsfrei abzuwickeln und den Einfluss auf die umgebenden Straßen zu minimieren. "Dies umfasst den verkehrsgerechten Ausbau der Knotenpunkte, die Verbreiterung der Bundesstraße 203 und die Errichtung der Werkzufahrten sowie die von Lichtsignalanlagen."
Die Opposition kritisierte die Landesregierung. "Das Land entwickelt keine Dynamik, was die Einrichtung eines Projektbüros für die Northvolt-Ansiedlung angeht", sagte Ex-Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP). Seit fast einem halben Jahr werde offenbar nur beraten. "Passiert ist nichts: Finanzmittel sind nicht bereitgestellt, die Notwendigkeit eines professionellen Teams mit einem erfahrenen Industriemanager an der Spitze, wie schon vor einem Jahr von mir gefordert, wird entweder nicht gesehen oder noch immer diskutiert." Das Engagement vor Ort sei dagegen beeindruckend groß. Der SPD-Wirtschaftspolitiker Kianisch Stender bemängelte, die Umsetzung eines Büros komme nur schleppend voran. "Am 17. Januar hat ein letztes Treffen zwischen den lokalen Akteuren und dem Land hierzu stattgefunden."
Northvolt will bei Heide künftig bis zu einer Million Batteriezellen für Elektroautos pro Jahr bauen. Den Startschuss für den Bau des 4,5-Milliarden-Euro-Projekts gaben Ende März unter anderem Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). In der Fabrik sollen 3000 Jobs entstehen. Bund und Land fördern die Batteriefabrik mit rund 700 Millionen Euro. Hinzu kommen mögliche Garantien über weitere 202 Millionen Euro, die noch bewilligt werden müssen./akl/DP/ngu