KORREKTUR/ROUNDUP: Wie denken Menschen in Deutschland über ihre Innenstädte?
(Im 4. Satz des 1. Absatzes wurde fälschlicherweise geschrieben, die Umfrage sei in 107 deutschen Städten durchgeführt worden. Tatsächlich wurde sie in 107 Innenstadt-Lagen durchgeführt. 105 davon befinden sich in Deutschland, eine in der Schweiz, eine in Belgien. Berlin war dabei mit drei Innenstadt-Lagen in verschiedenen Bezirken mehrfach vertreten.)
KÖLN (dpa-AFX) - Was halten die Menschen in Deutschland von ihren Innenstädten? Was gefällt ihnen besonders gut, was weniger? Das Handelsforschungsinstitut IFH hat Fragen wie diese untersucht. Für die alle zwei Jahre durchgeführte Studie "Vitale Innenstädte" wurden im Herbst vergangenen Jahres 68.451 Personen in 107 Innenstadt-Lagen repräsentativ befragt: 105 davon in Deutschland, eine in Belgien und eine in der Schweiz.
Was kam dabei heraus?
Die Innenstädte sind nicht nur bei älteren Besuchern beliebt. Das Durchschnittsalter ist seit 2020 von 47,5 auf 46,1 Jahre gesunken. Der Anteil der Unter-26-Jährigen ist zuletzt zwar niedriger gewesen als bei früheren Befragungen, dafür gibt es deutlich mehr Passanten zwischen 26 und 50.
"Es heißt oft, dass es junge Menschen nicht mehr in die Innenstädte zieht. Das stimmt nicht. Der Rückgang von jungen Menschen in der Stadt ist aktuell gestoppt. Die Innenstädte sind ein Ort für alle. Sie sind nach wie vor ein gesellschaftliches Zentrum, wo sich Menschen aller Altersklassen treffen", sagt IFH-Geschäftsführer und Studienautor Boris Hedde. Die Altersstruktur der Besucher entspreche ungefähr der der deutschen Gesellschaft.
Wie schneiden die Städte ab?
Insgesamt sind die Menschen weitgehend zufrieden. Die Durchschnittsnote der teilnehmenden Städte liegt bei 2,5 und damit auf demselben Niveau der vorherigen Befragungen. Besonders gut abgeschnitten haben Chemnitz, Erfurt, Leipzig, Arnsberg-Neheim, Bocholt, Lüneburg, Brühl, Freiberg (Sachsen) und Landsberg am Lech. Ein Ranking veröffentlichen die Forscher nicht. Die Ergebnisse sollen den Städten helfen, die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Was zieht die Menschen in die Innenstädte?
Restaurants, Cafés und Bars gewinnen an Bedeutung. Laut Umfrage steuern 40 Prozent der Passanten die Innenstädte wegen der gastronomischen Angebote an. Der Anteil ist deutlich gestiegen, 2022 lag er noch bei 35 Prozent, 2020 bei 26 Prozent. "Die Nachfrage nach Gastronomie in Innenstädten ist größer geworden, das gilt insbesondere bei jüngeren Menschen. Das liegt auch daran, dass der Wunsch nach Treffen und persönlichem Austausch stärker ausgeprägt ist", sagt Hedde.
Das Einkaufen ist nach wie vor das häufigste Besuchsmotiv (61 Prozent). Bei der Frage nach den Gründen für den Gang in die Innenstadt konnten die Teilnehmer der Umfrage mehrere Angaben machen. Seltener genannt wurden Dienstleistungsangebote, Behördengänge sowie Freizeit- und Kulturangebote.
Die Dominanz des Einkaufens als wichtigster Anlaufpunkt nimmt jedoch ab. "Die Konzepte im Handel von heute sind nicht mehr die richtigen, um die Zielgruppen von morgen anzusprechen", sagt Hedde. Den Jüngeren gehe es weniger um Produkte und Versorgung als um das Erleben und Verweilen. Der Einzelhandel brauche deshalb mehr interaktive und kreative Angebote.
Welche Positivbeispiele gibt es?
In der Düsseldorfer Schadowstraße zählte das Datenportal Hystreet seit 2019 einen Anstieg der Besucherzahlen um 43 Prozent. Vorausgegangen war ein großer städtebaulicher Umbau. Der begrünte Gebäudekomplex Kö-Bogen 2 wurde fertiggestellt, der Verkehr beruhigt, die Einkaufsstraße erweitert.
An der Kölner Ehrenstraße legten die Frequenzen in den vergangenen fünf Jahren um 34 Prozent zu. Die Straße wurde 2022 für Autos gesperrt und kann seitdem nur noch von Fußgängern und Radfahrern genutzt werden. Aus Parkplätzen wurden Bänke und Sitzgelegenheiten. Für Handelsexperte Hedde ist die Straße ein Musterbeispiel dafür, "dass eine bessere Aufenthaltsqualität Menschen in die Stadt zieht".
Was gefällt Kunden gut, was weniger?
Außerordentlich positiv bewertet werden Gastronomie- (Note 2,2) und Dienstleistungsangebote (2,1) wie Friseur, Bank oder Reinigung sowie die Einzelhändler aus den Bereichen Körperpflege, Kosmetik und Drogerie (2,0) sowie Bücher und Lebensmittel (beide 2,3). Weniger zufrieden sind die Besucher mit den Branchen Wohnen, Einrichten und Dekorieren (2,9) sowie Elektro, Computer, Foto und Telefon (2,8). Auch Sport-, Spiel und Freizeitmöglichkeiten kommen nur mittelmäßig weg (2,9).
Die Besucher sehen Bedarf, die Innenstädte attraktiver zu machen. Zwei Themen stechen heraus. Von vielen gefordert werden Maßnahmen gegen leerstehende Läden und Brachflächen. "Wo Geschäfte und Grundstücke leer stehen, veröden und vor sich hindümpeln, zieht es niemanden hin. Die Menschen wollen eine hohe Aufenthaltsqualität", sagt Hedde.
Viele Menschen wünschen sich, dass die Infrastruktur verbessert wird, etwa das Toilettenangebot. Wer nicht sicher sein könne, dass er saubere Toiletten vorfinde, der gehe ungern in die Stadt, so Hedde. Zahlreiche Besucher fordern zudem, dass Fußgängerzonen und Plätze ausgebaut und aufgewertet sowie die Innenstädte grüner gestaltet werden.
Wie blicken die Einzelhändler auf die Situation?
Hinter dem stationären Einzelhandel liegt ein wechselhaftes Jahr. Die Umsätze waren inflationsbereinigt nur knapp ein Prozent höher als 2023. Größtes Problem der Unternehmen ist, dass viele Kunden zurückhaltend einkaufen.
Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth, sagt: "Die deutschen Innenstädte sind angeschlagen und benötigen dauerhafte Hilfestellungen zur Genesung." Der HDE fordert mehr Investitionen, um die Innenstädte zu beleben. Gelinge das nicht, werde bei vielen Menschen die Identifikation sinken.
Wie entwickeln sich die Frequenzen in den Innenstädten?
Im Jahr 2024 waren laut Hystreet 1,5 Prozent mehr Passanten in den Innenstädten unterwegs als im Vorjahr. Großstädte wie Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Köln und München legten etwas stärker zu. Bei den sieben größten deutschen Städte lagen die Frequenzen im vergangenen Jahr im Schnitt aber noch ein Prozent niedriger als 2019.
Die Passantenfrequenzen werden von Hystreet in rund 110 deutschen Städten an mehr als 320 Standorten mit Laserscannern rund um die Uhr über vollautomatisch gezählt. Im Januar 2025 war die Kaufingerstraße in München mit 1,92 Millionen Besuchern Spitzenreiter./cr/DP/jha