Halle zum Zerlegen von DDR-Kernkraftwerksteilen bald fertig
LUBMIN/RHEINSBERG (dpa-AFX) - Der Bau einer speziellen Halle zur Zerlegung von Großkomponenten der ehemaligen DDR-Atomkraftwerke im vorpommerschen Lubmin und brandenburgischen Rheinsberg ist weit fortgeschritten. Nach einer erneuten Verschiebung ist die Fertigstellung der sogenannten Zerlegehalle (ZLH) in Lubmin inzwischen für Ende dieses Jahres angepeilt. Die Fassade sei so gut wie fertig, berichtet der stellvertretende Projektleiter Stefan Zobel. Die technische Ausrüstung stehe aber noch am Anfang.
Kernstück des riesigen Komplexes ist eine etwa 30 Meter hohe, 60 Meter lange und 40 Meter breite Halle mit großen Stahltoren und künftig auch einem Kran, der bis zu 250 Tonnen heben kann. In der Mitte der Halle befindet sich bereits ein etwa acht Meter tiefes Becken, in dem später Teile unter Wasser ferngesteuert zerlegt werden sollen - zum Schutz vor Strahlen.
"Einzigartiges Projekt"
Ein "einzigartiges Projekt" nennt Kurt Radloff den Bau. Er ist Pressesprecher der bundeseigenen Entsorgungswerk für Nuklearanlagen GmbH (EWN), die sich um den Rückbau der ehemaligen DDR-Kernkraftwerke kümmert. "Diese Anlage hier wird noch wirklich lange Bestand haben", sagt er. Demnach wird die Arbeit dort bis in die 2050er oder 2060er Jahre andauern. "Wir haben so viele Großkomponenten und Materialien hier von unseren Standorten."
Die Großkomponenten aus Brandenburg und Lubmin lagern derzeit nebenan im sogenannte Zwischenlager Nord (ZLN). Dazu gehören etwa sogenannte Dampferzeuger, mit denen in den Kraftwerken mittels Wärme Dampf für Turbinen erzeugt wurden, oder auch Druckgefäße. Die Komponenten sollen so zerkleinert und aufbereitet werden, dass sie etwa in den Schacht Konrad im niedersächsischen Salzgitter, dem künftigen Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, gebracht werden können. Oder die Teile werden gänzlich von Kontamination befreit und konventionell entsorgt.
Essen und Toilettengänge streng geregelt
Die Anforderungen an ein solches Neubauprojekt sind hochkomplex. Davon sind auch die körperlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter betroffen. Gegessen werden darf später nur in einem einzigen Raum, wegen der Gefahr, anderswo mögliche Kontamination dabei aufzunehmen. Auch Toiletten wird es im Kontrollbereich nicht geben, weil das Abwasser ansonsten speziell behandelt werden müsste.
Das Zerlegebecken ist zur Abschirmung mit Edelstahl ausgekleidet und die 44 Tonnen schweren Flügel des großen Tores der Halle sind zur Abschirmung mit Beton gefüllt. Böden und Teile der Wände sind speziell beschichtet, damit etwaige Kontamination nicht einzieht. Abluft wird gefiltert und kontrolliert.
Ende 2018 waren die Gründungsarbeiten gestartet und im Sommer 2020 der Rohbau der ZLH. Unter anderem die Corona-Pandemie sorgte wiederholt zu Verzögerungen. "Personell und auch materialtechnisch ging da stellenweise überhaupt nichts mehr", erinnert sich Zobel. "Wir haben hier stellenweise Stahl in Indien angefragt, ganz normalen Stahl."
In Russland Erfahrung gesammelt
Der Bauingenieur kennt sich mit aufwendigen Entsorgungsprojekten aus. In den 2000er Jahre hat er nach eigenen Angaben im russischen Murmansk beim Bau einer ähnlichen Anlage geholfen. Damals ging es um die Bearbeitung und Lagerung von Teilen russischer Atom-U-Boote.
Der Betriebsbeginn der ZLH ist derzeit für frühestens Ende 2026 eingeplant. Vor der Inbetriebnahme steht ein aufwendiges Abnahmeverfahren an. Auf welchen Betrag sich die Kosten am Ende belaufen werden, konnte Radloff zunächst nicht sagen. 2018 war von mehr als 40 Millionen Euro die Rede./chh/DP/zb