Blockade der Straße von Hormus könnte Ölpreis fast verdoppeln
FRANKFURT (dpa-AFX) - Ökonomen warnen weiterhin vor gravierenden Folgen des Krieges im Nahen Osten, sollte der Iran die wichtige Schiffsroute durch die Straße von Hormus blockieren. So drohte der Iran den USA nach den US-Angriffen auf Atomanlagen des Landes vom Wochenende mit Konsequenzen. Zu möglichen Gegenschlägen des Irans könnten weitere Luftangriffe auf Israel, Attacken auf US-Truppen im Nahen Osten, Terroranschläge in den USA sowie eine Schließung der wichtigen Schiffahrtstraße bei Hormus gehören.
"Das negative Risikoszenario ist eine Blockade der Straße von Hormus, die Hauptschlagader für den regionalen Rohölumschlag", sagte Robin Winkler, Chefvolkswirt für Deutschland bei der Deutschen Bank, in einer am Montag veröffentlichten Analyse. "In diesem Szenario könnte der Brent-Ölpreis nach unseren Schätzungen binnen kurzer Zeit auf 120 US-Dollar pro Barrel steigen."
Auch Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Bank, rechnet bei einer erfolgreichen Blockade der Straße von Hormus mit einem kurzfristigen Anstieg des Brent-Preises für Rohöl aus der Nordsee bis auf 120 Dollar. Bei einer längeren Unterbrechung der Schifffahrtsroute bis Ende des Jahres sei sogar mit einem Preisanstieg bis 150 Dollar je Barrel zu rechnen.
In dem Szenario einer längeren Blockade der Straße von Hormus könnte der Ölpreis damit auf ein Rekordhoch steigen. Der bisherige Rekord beim Brent-Preis wurde 2008 bei knapp 150 Dollar je Barrel erreicht. Zu Beginn der Woche zogen die Ölpreise zunächst aber nur etwas weiter an. Sie waren bereits mit dem Beginn des Krieges zwischen Israel und dem Iran vor rund zwei Wochen deutlich gestiegen. Konkret: In der Nacht zum Montag war der Brent-Preis bis auf gut 81 Dollar gesprungen und fiel dann bis auf 77,48 Dollar zurück. Das ist etwa ein halber Dollar mehr als am Freitag.
Experten der US-Investmentbank Goldman Sachs gehen selbst bei einer teilweisen Blockade der Meerenge für Öltanker von einem starken Preisanstieg aus. Wenn die Öllieferungen durch die Straße von Hormus nur einen Monat lang um 50 Prozent sinken würden und dann weitere elf Monate lang um 10 Prozent niedriger bleiben würden, dürften "die Preise für Brent unserer Schätzung nach kurzzeitig auf einen Höchststand von rund 110 US-Dollar steigen", heißt es in einer am Montag veröffentlichten Analyse.
Ein Anstieg des Brent-Ölpreises bis auf 120 Dollar hätte spürbare Auswirkungen auf die weitere konjunkturelle Entwicklung, heißt es in Winklers Einschätzung. In Deutschland und der Eurozone würde ein Ölpreisanstieg in dieser Größenordnung die Einfuhrkosten um etwa Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erhöhen und die Inflation kurzfristig um etwa einen Prozentpunkt nach oben treiben. "Die derzeitige Konjunkturerholung würde abbrechen", warnte der Deutsche-Bank-Ökonom.
Experte Brzeski von der ING Bank machte aber auch deutlich, dass der Iran mit einer Blockade der Meerenge von Hormus als Vergeltungsmaßnahme für die jüngsten US-Angriffe zu weit gehen könnte. Da etwa 80 Prozent der Öllieferungen durch die Straße von Hormus nach Asien fließen, hätte dies spürbare Auswirkungen für die asiatischen Kunden. "Daher sollte der Iran darauf achten, Länder wie China nicht durch eine Unterbrechung der Ölströme zu verärgern", sagte der ING-Chefvolkswirt./jkr/mis/stw