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Der ewige Kampf ums Handgepäck in der Flugzeugkabine

01.07.2025
um 06:21 Uhr

FRANKFURT (dpa-AFX) - Unmittelbar vor der größten Reisewelle des Jahres ist eine Debatte um das zulässige Handgepäck in Passagiermaschinen entbrannt. Was darf ich mit an Bord nehmen? Die Antwort auf diese einfache Frage fällt zum Ärger der Passagiere je nach Airline höchst unterschiedlich aus und kann sogar richtig ins Geld gehen.

Das könnte sich demnächst ändern: Der europäische Verbraucherschutz-Verband Beuc hat bei der Kommission eine offizielle Beschwerde gegen sieben Direktfluggesellschaften eingereicht, die aktuell pro Passagier lediglich eine kleine Tasche für Dinge des persönlichen Bedarfs kostenfrei zulassen. Und im EU-Parlament setzen sich Abgeordnete für großzügigere Regeln in den Kabinen ein.

Warum gibt es bislang keine festen Regelungen?

Bislang hat die EU die Handgepäckregeln weitgehend den Airlines selbst überlassen. Selbst die Empfehlungen des weltweiten Airline-Verbandes IATA werden nicht einheitlich umgesetzt. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2014 ist nur klar, dass für Handgepäck auch beim günstigsten Ticket keine zusätzliche Gebühr erhoben werden darf. Die vom Gericht verlangten "angemessenen Vorgaben" zu Größe und Gewicht gibt es in der EU aber bis heute nicht.

Wie ist die derzeitige Situation?

Das ist je nach Gesellschaft unterschiedlich. Die meisten Direktfluggesellschaften wie Ryanair , Easyjet oder auch die Lufthansa -Tochter Eurowings lassen im günstigsten Tarif nur eine kleine Tasche zu, die unter den Vordersitz passen muss. Bei Netzanbietern wie Lufthansa oder British Airways ist hingegen auch im billigsten Ticket zusätzlich ein kleiner Rollkoffer erlaubt. Urlauber sollten daher vor Flugantritt unbedingt die Regelungen ihrer Airline checken, um am Flughafen möglichen Nachforderungen und Strafgebühren zu entgehen. Gerade bei voll gebuchten Flügen sind die Crews sehr strikt.

Was spricht dafür, nur mit Handgepäck zu reisen?

Wer im Strandurlaub mit Shorts und einigen T-Shirts auskommt, könnte sich das Aufgabegepäck sparen. Passagiere haben ihr Handgepäck zudem ständig in ihrer Nähe, was die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes erheblich verringert. Gerade im Sommer-Hochbetrieb gehen aufgegebene und dann verladene Gepäckstücke häufiger verloren oder kommen verspätet an. Außerdem muss man nach der Landung nicht auf das Gepäck warten und kann schneller den Flughafen verlassen.

Was wollen die Verbraucherschützer erreichen?

Die Klage der europäischen Verbände richtet sich gegen die Grundtarife der Gesellschaften Easyjet, Ryanair, Norwegian, Transavia, Voltea, Vueling und Wizz Air. Nach den Untersuchungen von Beuc erheben diese zwischen 6 und 75 Euro für ein zusätzliches Gepäckstück in der Kabine. Platz genug ist also vorhanden. Derartige Nebeneinnahmen sind wichtig für die Airlines. Die italienische "Corriere della Sera" schätzt die jährlichen Gepäck-Einkünfte von Ryanair auf 3,5 Milliarden Euro und bei Easyjet auf 2,2 Milliarden Euro.

Die kostenfreie Tasche reiche nicht aus, um genügend Kleidung und persönliche Gegenstände mitzunehmen, kritisiert Beuc. Dem Verband gehört auch der deutsche Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) an. Beuc-Generaldirektor Agustín Reyna setzt sich für einen zusätzlichen Rollkoffer ein: "Ich kann nicht verstehen, wie es angemessen sein soll, für eine mindestens zwei bis drei Tage lange Reise alles in eine kleine Tasche zu packen."

Was wird im EU-Parlament diskutiert?

Im Verkehrsausschuss hat eine fraktionsübergreifende Mehrheit dafür gestimmt, dass Passagiere künftig zwei kleine Gepäckstücke ohne Zusatzgebühr an Bord nehmen dürfen. Neben dem kleinen Gepäckstück wie Handtasche, Rucksack oder Laptop (Maximalmaße 40x30x15 cm) wäre ein kleiner Koffer möglich. Das vorgeschlagene Mindestmaß liegt allerdings unterhalb der bislang bei Lufthansa und Co. üblichen Kabinenkoffer.

Ohnehin befindet sich das Verfahren noch in der Abstimmung zwischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten. Mit einer Einigung zu den Fluggastrechten wird frühestens zur Jahreswende gerechnet. Man werde nicht zulassen, dass Passagierrechte verschlechtert werden, sagt der Europa-Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen (FDP).

Wie argumentieren die Fluggesellschaften?

Der Airline-Verband A4E lehnt zusätzliche Regeln zum Kabinengepäck ab. Millionen Passagiere entschieden sich bewusst für den günstigsten Tarif ohne Kabinenkoffer und dürften nicht gezwungen werden, für etwas zu bezahlen, was sie nicht benötigen. A4E-Vertreterin Ourania Georgoutsakou zieht einen Vergleich: "Was kommt als Nächstes? Popcorn und Drinks als verpflichtender Teil der Kinokarte?"

Eine strengere Regulierung würde schlicht weniger Wahlmöglichkeiten für die Passagiere bedeuten, heißt es auch vom deutschen Branchenverband BDL. Einheitliche Gepäckmaße würden zudem den unterschiedlichen Flugzeugtypen nicht gerecht.

Was spricht noch gegen viel Handgepäck in der Kabine?

Wenn die Passagiere zu viele Habseligkeiten mit ins Flugzeug bringen, kann der Platz in den Gepäckfächern schnell knapp werden. Streit und Stress sind vorprogrammiert. Die Maschinen dürfen erst zum Start rollen, wenn alle sitzen und das Gepäck komplett verstaut ist. Kommt es zu Verzögerungen etwa durch das Umladen aus der Kabine in den Frachtraum, sind die oft knappen Zeitfenster für den Start in Gefahr und es dauert für alle länger./ceb/DP/zb

Deutsche Lufthansa AG

WKN 823212 ISIN DE0008232125

Easyjet PLC

WKN A1JTC1 ISIN GB00B7KR2P84

Ryanair Holdings PLC

WKN A1401Z ISIN IE00BYTBXV33

Wizz Air Holdings PLC

WKN A14NPS ISIN JE00BN574F90