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Mit diesen Problemen kämpfen die Macher von Stuttgart 21

13.07.2025
um 07:56 Uhr

STUTTGART (dpa-AFX) - Alle Jahre wieder stellt sich die Frage: Wann wird Stuttgart 21 fertig? Ursprünglich sollte das Bahnprojekt mal 2019 in Betrieb gehen, nach zahlreichen Verschiebungen ist die offizielle Angabe nun Dezember 2026 - noch. Weil im Zuge der Bauarbeiten im kommenden Jahr massive Einschränkungen für Fahrgäste drohen, soll eine Arbeitsgruppe klären, wie die Inbetriebnahme möglichst fahrgastfreundlich gestaltet werden kann. Am Freitag soll der Lenkungskreis des Bahnprojektes über das Ergebnis informiert werden. Inzwischen mehren sich die Hinweise, dass der Termin im Dezember 2026 erneut wackelt. Das sind derzeit die größten Probleme von Stuttgart 21:

Digitalisierung

Die Digitalisierung des Stuttgarter Bahnknotens ist schon länger das Sorgenkind der Planer. Die Probleme führte die Bahn auch als einen Grund für die letzte Verschiebung der Inbetriebnahme auf Ende 2026 an. Im Rahmen von Stuttgart 21 wird der Bahnknoten in Stuttgart als Erster bundesweit komplett digitalisiert. Züge des Fern- und Regionalverkehrs sowie S-Bahnen sollen dann mit dem digitalen Zugsicherungssystem ETCS fahren - und zwar nur damit. Klassische Lichtsignale werden im Stuttgarter Bahnknoten nicht mehr verbaut.

Derzeit sind die Bauarbeiten für die Digitaltechnik laut Bahn stark verzögert. Als Grund nennt der Konzern in den Unterlagen für die jüngste Sitzung des Lenkungskreises mangelnde Kapazitäten und fehlende Materialverfügbarkeit bei den ausführenden Firmen. Zudem könne das Programm zur Bedienung der neuen Digitaltechnik erst nach Dezember 2026 bereitgestellt werden. Das sei kompensierbar, bedeute aber betriebliche und qualitative Einschränkungen, heißt es in den Unterlagen der Bahn.

Anschluss an bestehende Gleise

Bislang beeinflussten die Bauarbeiten für das Milliardenprojekt die bestehenden Bahnstrecken relativ wenig. Neubaustrecke und zahlreiche Tunnel wurden komplett neu gebaut, während die alten Verbindungen weiter in Betrieb waren. Nun muss die neue Infrastruktur vor der Inbetriebnahme an einigen Stellen an die bestehenden Strecken angeschlossen werden - was mit vielen Sperrungen einhergeht. Besonders stark betroffen sind davon Fahrgäste aus und in Richtung Osten, weil der Anschluss an die neuen Schienen dort viele Arbeiten im Bestand nötig mache, schreibt die Bahn in den Unterlagen für die Sitzung des letzten Lenkungskreises. Besonders betroffen ist demnach der Bereich Bad Cannstatt, den alle S-Bahnlinien, Regionalzüge und Fernzüge in Richtung Ulm und München passieren müssen.

Für Fahrgäste bedeutet das noch mehr Sperrungen und Einschränkungen als bisher schon gewohnt. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sprach von einer noch höheren Stufe des Leidens für die Fahrgäste. Die Bahn hatte den Projektpartnern in der letzten Sitzung für 2026 eine Verdopplung der Sperrpausen im Vergleich zu 2025 angekündigt.

Zeitplan

Wegen der vielen Baustellen und drohenden Sperrungen, die für die Inbetriebnahme Ende 2026 notwendig wären, wackelt der Zeitplan für den S21-Start erneut. Gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe der Projektpartner solle die Bahn das Inbetriebnahmekonzept prüfen, um Beeinträchtigungen möglichst gering zu halten, entschied der Lenkungskreis. Das Ergebnis der Prüfung soll am 18. Juli den Projektpartnern in einer Sondersitzung des Lenkungskreises mitgeteilt werden.

Denkbar wären mehrere Varianten: Eine komplette Verschiebung der Inbetriebnahme, ein teilweiser Start, bei dem ein Teil der Züge bereits im neuen Tiefbahnhof, andere aber erstmal weiter im alten Kopfbahnhof enden würden - oder ein Festhalten an der kompletten Inbetriebnahme im Dezember 2026 mit großen Einschränkungen für die Fahrgäste im Vorfeld. Beobachter halten einen Teil-Start für das wahrscheinlichste Szenario, mehrere Medien hatten darüber bereits spekuliert.

Kosten

Neben dem Inbetriebnahmetermin sind auch immer die Kosten ein Thema. Bis vor Kurzem bezifferte die Bahn diese auf rund 11 Milliarden Euro, eingeplant ist zudem ein Puffer von 500 Millionen Euro. Dieser ist inzwischen schon recht gut aufgebraucht: In der letzten Sitzung des Lenkungskreises informierte die Bahn die Projektpartner darüber, dass sich die Kosten inzwischen auf rund 11,3 Milliarden Euro summierten.

Die Mehrkosten für das Bahnprojekt beschäftigen schon seit einiger Zeit auch Gerichte. In einem Finanzierungsvertrag aus dem Jahr 2009 ist nur die Verteilung von Kosten bis zu einer Höhe von gut 4,5 Milliarden Euro geregelt. Was mit den Mehrkosten von mindestens 6,5 Milliarden Euro passiert, ist strittig. Die Bahn hatte die Projektpartner auf eine Beteiligung daran verklagt und war 2024 mit dem Versuch vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht gescheitert. Die Projektpartner beharren darauf, dass die Bahn die Bauherrin von Stuttgart 21 ist, die Bahn geht von einer gemeinsamen Verantwortung aller Partner aus und hat auch Rechtsmittel gegen das Stuttgart Urteil eingelegt./dna/DP/zb