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Charttechnik-Pionier Bollinger: Aktien trotz vieler Risiken attraktiv

25.09.2025
um 17:05 Uhr

FRANKFURT (dpa-AFX) - Unter Rendite-Risiko-Gesichtspunkten sind Aktien einem charttechnisch orientierten Marktexperten zufolge weiter die bessere Wahl als Anleihen - und das trotz der aktuell vielfältigen Ungewissheiten. Derzeit stützten die vielen, von den Regierungen dies- und jenseits des Atlantiks angekündigten fiskalischen Maßnahmen wie Steuersenkungen oder höhere Staatsausgaben die Aktienmärkte, sagte der Fachmann John Bollinger der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX anlässlich der bevorstehenden Jahreskonferenz des Weltverbands der Technischen Analysten IFTA in Frankfurt (26. bis 28. September).

Aus markttechnischer Sicht werden die Aktienmärkte laut dem Experten aktuell von automatisierten Handelssystemen gestützt, die sich auf die Methode des sogenannten Trendfolgens spezialisiert haben. Dabei geht es darum, sich der derzeitigen Aufwärtsbewegung an den Börsen anzuschließen und so lange wie möglich davon zu profitieren.

Gleichwohl sollten Anleger Bollinger zufolge die politischen Unsicherheiten im Blick behalten. "Russlands nächste Schritte im Angriffskrieg gegen die Ukraine bleiben schwer kalkulierbar", sagte der Experte. Diese Unberechenbarkeit belaste insbesondere Europas Börse.

An der Wall Street machten den Anlegern vor allem die widersprüchlichen Signale aus dem Weißen Haus in der Zollpolitik zu schaffen. "Wir beobachten am US-Aktienmarkt einen unruhigen Handel", sagte Bollinger. Das erschwere die Anwendung traditioneller Ausbruch-Strategien, die auf das Durchbrechen wichtiger Widerstände oder Unterstützungen setzen.

Interessant sind laut Bollinger auch Aktien aus den großen asiatischen Ländern sowie die Börsen Zentral- und Südamerikas. Mit Blick auf die letztgenannte Region verwies der Experte auf die Ergebnisse des von der EU-Kommission gebilligten Freihandelsabkommens mit den Mercosur-Staaten. Die Vereinbarung der EU mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay sieht unter anderem vor, dass die gegenseitigen Zollsätze drastisch reduziert werden. Allerdings müssen noch die nationalen Regierungen und das EU-Parlament dem Abkommen zustimmen.

Festverzinsliche Wertpapiere aber sind dem Experten zufolge weiterhin kaum eine Alternative. "Anleihen sind riskanter als viele Anleger meinen, und schwer zu managen", sagte Bollinger. So gebe es zwar seit mehr als einem Jahr eine hohe Nachfrage nach Anleihen von Unternehmen mit niedriger Bonität. Doch dadurch seien auch die Risikoprämien für diese Papiere zusammengeschrumpft, was sie für Investoren immer weniger attraktiv mache.

Zu den Unwägbarkeiten in puncto Ukraine und USA kommen Bollinger zufolge die Unsicherheiten in Europa hinzu. So hat die Regierungskrise in Frankreich die Risikoprämien zehnjähriger Staatsanleihen des Landes gegenüber vergleichbaren deutschen Wertpapieren in die Höhe schnellen lassen.

In diesem Umfeld dürfte der Goldpreis seine Rekordrally fortsetzen: "Anleger fürchten sich vor dem Chaos an den Märkten und kaufen Gold", sagte Bollinger. Seiner Auffassung nach profitiert der Goldpreis dabei von dem Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung: Durch den Kauf von mit dem Edelmetall besicherten Wertpapieren steige der Goldpreis, was wiederum das Unsicherheitsgefühl der Anleger verstärke. Die Folge seien weitere Käufe von Gold als vermeintlich sicherem Hafen in unruhigen Zeiten.

Zur Person: John Bollinger gilt als einer der Pioniere der Charttechnik, einem Teilgebiet der technischen Analyse. Bollinger entwickelte ein berühmtes Verfahren zur Erkennung von Kurstrends. Die nach ihm benannten Bollinger-Bänder basieren auf gleitenden Durchschnitten und geben Aufschluss darüber, ob ein Wertpapier unter- oder überbewertet ist./la/tih/zb