ROUNDUP Von der Leyen verteidigt sich gegen Misstrauensanträge
STRASSBURG (dpa-AFX) - Die mit zwei neuen Misstrauensanträgen konfrontierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat im Europaparlament vor einer Spaltung Europas gewarnt. Sie rief die Parlamentarierinnen und Parlamentarier bei der Debatte über die Anträge in Straßburg zur Einheit auf und warf den Antragstellern vor, den Interessen des russischen Präsidenten Wladimir Putins zu dienen.
"Die Wahrheit ist: Unsere Gegner sind nicht nur bereit, jede Spaltung auszunutzen - sie schüren diese Spaltungen aktiv", sagte von der Leyen. Einen der Anträge verteidigte Jordan Bardella, der in Frankreich der Vorsitzende des rechtsnationalen Rassemblements National ist und bei neuen Wahlen der nächste französische Präsident oder zumindest Premierminister werden könnte.
Von der Leyen verweist auf Bedrohungen für Europa
Von der Leyen verwies auf die Provokationen, denen Europa sich aktuell ausgesetzt sieht, wie die zahlreichen Luftraumverletzungen etwa durch russische Drohnen in Polen und russische Kampfjets in Estland. Putin prahle mit "Rissen im Gebäude Europas", so die Kommissionspräsidentin.
"Wir müssen uns auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist", sagte sie weiter. Es sei nicht notwendig, in jedem Detail übereinzustimmen, Spannung und Debatten seien ein wichtiger Bestandteil der Politikgestaltung, erläuterte sie. Die Präsidentin bekräftigte ihr Bekenntnis, mit den Abgeordneten zusammenarbeiten zu wollen. Gleichzeitig schlug sie versöhnliche Töne mit ihren Kritikern an und sagte, sie wisse, dass sie aus einer Position echter und berechtigter Sorge handelten.
Eingereicht wurden die Misstrauensanträge jeweils von der rechten PfE-Fraktion und der Linken-Fraktion. Die PfE unter Vorsitz von Bardella werfen der Kommissionspräsidentin einen Verlust der Wettbewerbsfähigkeit wegen ihrer Klimapolitik vor. Außerdem kritisieren sie einen Mangel an Transparenz und Versagen bei der Migrationspolitik. Wie auch die Linken ist die Gruppe zudem gegen den Zoll-Deal mit den USA. "Sie haben tatsächlich die Kapitulation Europas unterzeichnet", sagte Bardella bei der Eröffnung der Debatte.
Die Co-Vorsitzende der Linken-Fraktion Manon Aubry warf von der Leyen vor, sich immer noch zu weigern, Handelsbeziehungen mit Israel einzustellen, während gegen Russland das nächste Sanktionspaket verabschiedet werde. "Sie sollten gehen", wiederholte sie. Aus Sicht der Linken hat die Kommission angesichts der humanitären Katastrophe im Gazastreifen zu lange geschwiegen. Aubrys deutscher Amtskollege Martin Schirdewan sagte, man unterwerfe sich US-Präsident Donald Trump und riskiere Jobs in der EU. Die Kommission länger im Amt zu lassen, sei eine politische Insolvenzverschleppung.
Auch Rückendeckung für von der Leyen
Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber (CSU) stellte sich klar hinter von der Leyen. Er warf Bardella vor, mit dem Misstrauensantrag eine Kampagne für den französischen Wahlkampf zu führen. Die Linke und die Rechte seien vor allem dagegen, ohne aber Lösungen anzubieten.
Die Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion S&D, Iratxe García, sagte, die Misstrauensanträge seien zum Scheitern verurteilt. Man teilte mit der Linken zwar die Ansicht, dass die Lage in Gaza einen Völkermord darstelle, doch anders als die Linke sei man an konkreten Maßnahmen interessiert. Nicola Procaccini von der rechtskonservativen EKR verwies darauf, dass das Handelsabkommen mit den USA besser sei als ein Handelskrieg mit dem wichtigsten Handelspartner.
Die französische Abgeordnete und Vorsitzende der liberalen Renew-Fraktion Valérie Hayer warf den Initiatoren der Misstrauensanträge vor, diese vor allem für die Außenwahrnehmung ausnutzen zu wollen. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Terry Reintke, betonte, viele EU-Bürgerinnen und Bürger wünschten sich zwar mehr Führung in Europa. Angesichts der geopolitischen Lage sei eine institutionelle Krise innerhalb der EU aber der falsche Weg.
Abstimmung über die Misstrauensanträge am Donnerstag
Eine ausreichende Mehrheit für die Misstrauensanträge gilt als äußerst unwahrscheinlich, wie auch schon beim Misstrauensvotum im Juli. Grundsätzlich sind Misstrauensanträge gegen die Kommission äußerst selten. Die Präsidentin und ihr Team müssen sich aber schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate einer solchen Debatte stellen. Die Abstimmungen sind für Donnerstag angesetzt./vni/DP/he