- von Hans-Edzard Busemann
Berlin (Reuters) - Verbraucher sollen sich künftig gemeinsam vor Gericht gegen betrügerische Firmen wehren können.
Justizminister Heiko Maas (SPD) gab am Donnerstag den Entwurf für Sammelklagen in die Ressortabstimmung, nach dem jedoch die Geschädigten nicht selbst Klage erheben können. Dieses Recht bleibt nach dem sogenannten Musterfeststellungsverfahren Verbänden - etwa Verbraucherschutz-Organisationen - vorbehalten. Diesem Verfahren können sich dann Betroffene anschließen. Das Gesetz soll kommendes Jahr verabschiedet werden und 2018 wirksam werden.
Die Musterfeststellungsklage wurde auch häufig im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal genannt. Allerdings blieb zunächst unklar, ob auf Grundlage des Gesetzentwurfs auch rückwirkend Regress-Ansprüche gegen den Autobauer wegen geschönter Werte bei Diesel-Kfz gemacht werden könnten. Dies hängt etwa von der Art der Gewährleistung ab oder von der Frage, ob durch eine neue Software zur Motorsteuerung der Schaden behoben ist.
In Kreisen der Justizministerkonferenz hatte es vor zwei Wochen geheißen, es sei davon auszugehen, dass Kfz-Halter mit gültigen Gewährleistungsansprüchen nach einer erfolgreichen Musterfeststellungsklage auf Schadensersatz klagen könnten. Verbraucherschützer in Deutschland kritisieren heftig, dass US-Kunden von VW viel großzügiger entschädigt würden, als VW-Besitzer in Deutschland.
AUCH WIRTSCHAFTSVERBÄNDE SOLLEN KLAGEN KÖNNEN
Nach dem Entwurf sind auch Wirtschaftsverbände wie Handelskammern klageberechtigt. Verbraucher sollen sich mit einer "geringen Gebühr" über Internet in ein Klägerregister eintragen können. Die Gerichte stellen dann fest, ob der Schadensersatzanspruch berechtigt ist oder nicht. Liegt ein bei allen Verbrauchern identischer Schaden vor, kann das Gericht auch den Umfang der Entschädigung bestimmen. Ist der Schaden individuell unterschiedlich, müssen die Verbraucher einzeln ihre Ansprüche einklagen.
Mit der Anmeldung zur Sammelklage stoppt die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen. Die Prozesse können nach den Vorstellungen von Maas auch in einem Vergleich ohne Urteil enden. Allerdings gilt die von beiden Parteien gefundene Entschädigung nur, wenn nicht mehr als 30 Prozent der Verbraucher aus Protest aus der Sammelklage ausscheiden. Aus Sicht des Ministeriums werden mit dem Entwurf Massenklagen von Verbrauchern nach US-Vorbild ausgeschlossen. Dort haben sich Kanzleien darauf spezialisiert, für Verbraucher Schadensersatz einzuklagen und nur im Erfolgsfalle auch Gebühren zu kassieren. Kritiker monieren deswegen eine "Prozessindustrie" in den USA.
In der Union gab es bislang erhebliche Vorbehalte gegen das Musterfeststellungsverfahren. Maas hatte sich deswegen vor zwei Wochen skeptisch gezeigt, ob das Gesetz überhaupt beschlossen werden könne.