- von Crispian Balmer und Steve Scherer
Lucca (Reuters) - Die USA wollen nach den Worten von Außenminister Rex Tillerson als globale Ordnungsmacht auftreten und rücken damit von früheren Ankündigungen des neuen Präsidenten Donald Trump ab.
"Wir verschreiben uns wieder dem Ziel, jeden in der ganzen Welt zur Rechenschaft zu ziehen, der Verbrechen an Unschuldigen verübt", sagte Tillerson am Montag. Die US-Streitkräfte hatten am Freitag einen syrischen Stützpunkt als Reaktion auf eine Giftgasattacke angegriffen. Der Zwischenfall belastet auch das Verhältnis zu Russland, das ein enger Verbündeter Syriens ist. Mehrere westliche Staaten brachten eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland ins Gespräch. Anders als erwartet soll Tillerson bei einem Besuch in Moskau am Mittwoch nicht Präsident Wladimir Putin treffen.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit würden nicht ungesühnt bleiben, sagte Tillerson beim Besuch einer Gedenkstätte für Nazi-Verbrechen in Sant'Anna di Stazzema in der Toskana vor einer Außenminister-Tagung der Industriestaatengruppe G7. Er verstärkte damit den Eindruck eines Kurswechsels. Trump hatte seinen Anhängern versprochen, eine weniger interventionistische Politik als sein Vorgänger Barack Obama zu verfolgen. Dem widerspricht auch die Verlegung eines Flugzeugträgers in die Gewässer um Nordkorea. Der kommunistische Staat hatte die Weltgemeinschaft mit Raketentests und Arbeiten an einer Atombombe wiederholt herausgefordert. Tillerson erklärte, der Luftangriff gegen die syrische Armee sei auch eine Warnung an Länder wie Nordkorea.
Trumps Sprecher Sean Spicer sagte, die USA behielten sich weitere Schritte vor, wenn es erneut Giftgasangriffe gebe. Er kritisierte zudem den Einsatz von Fassbomben. Sie werden etwa aus Hubschraubern abgeworfen. Kritiker der syrischen Regierung monieren schon lange, dass die Waffen nur willkürliche Zerstörungen anrichten.
US-SYRIENPOLITIK GIBT RÄTSEL AUF
Für Irritationen sorgten Widersprüche zwischen Tillerson und der US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley. Während Tillerson erklärte, der Kampf gegen die Extremistengruppe IS habe in Syrien Priorität, sagte Haley, oberstes Ziel sei die Absetzung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Ein hochrangiger europäischer Diplomat sagte, zwar würden sich die USA zu einem Regierungswechsel in Damaskus bekennen. Bei den G7-Vorbereitungen engagierten sich die US-Vertreter aber nicht dafür: Die Amerikaner "tappen planlos im Dunkeln".
Den G7 gehören neben den USA, Italien, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Kanada und Japan an. Der britische Außenminister Boris Johnson sagte, es sollten weitere Sanktionen gegen Verantwortliche in der russischen Armee erlassen werden. Das betreffe Personen, die den Militäreinsatz des Landes in Syrien koordinierten. Auch der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau wäre nach eigenen Worten bereit, über schärfere Strafmaßnahmen gegen Russland nachzudenken. Russland wird vorgeworfen, den Gaseinsatz zumindest nicht verhindert zu haben.
Die Regierung in Moskau kritisierte dagegen erneut den US-Raketenangriff auf einen syrischen Fliegerhorst vom Freitag. Die Aktion zeige, dass die Regierung in Washington die Zusammenarbeit beim Thema Syrien verweigere, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow. Nach Angaben Peskows wird Tillerson bei seinem Besuch in Moskau nicht Putin treffen, obwohl sich beide aus Tillersons Zeit als ExxonMobil-Chef kennen. Auch Vorgänger John Kerry hatte als Außenminister Putin oft in Moskau getroffen.
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel kündigte an, das G7-Treffen für neue Friedensbemühungen zu nutzen. Der Gasangriff sei ein "barbarisches Verhalten" und ein Weckruf für eine neue Initiative, sagte sein Sprecher Martin Schäfer. Er sprach Assad die Fähigkeit dazu ab: "Der ist bereit, jede Art von Gewalt anzuwenden, um sein Ziel zu erreichen, an der Macht zu bleiben."
Der Westen wirft Assad vor, in der vergangenen Woche ein von Rebellen beherrschtes Gebiet mit Giftgas angegriffen zu haben. Die syrische Führung hat dies zurückgewiesen. Russland hat erklärt, es sei ein Waffenlager der Aufständischen getroffen worden, in dem der Kampfstoff aufbewahrt worden sei.