Reuters

Merkel mahnt zum Gipfel-Auftakt Kompromissbereitschaft an

07.07.2017
um 16:01 Uhr

- von Andreas Rinke und Gernot Heller

Hamburg (Reuters) - Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet wegen der tiefgreifenden Differenzen vor allem mit den USA in der Klima- und in der Handelspolitik schwierige Verhandlungen beim G20-Gipfel in Hamburg.

Lösungen könnten vielfach nur gefunden werden, "wenn wir aufeinander zugehen, wenn wir uns aufeinander zubewegen", appellierte sie am Freitag in ihrer Eröffnungsrede an die Delegierten der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer. Verbiegen müsse sich aber niemand, Unterschieden könnten benannt werden. Am Rande waren mehreren bilateralen Treffen geplant, darunter die erste Begegnung von US-Präsident Donald Trump und seinem russischen Kollegen Wladimir Putin. Wegen der massiven Krawalle in der Hansestadt forderte die Polizei Verstärkung an.

Zu Beginn des zweitägigen Treffens begrüßte die amtierende G20-Vorsitzende Merkel die Gäste jeweils mit einem Handschlag - auch den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, der vor dem Treffen harte Kritik an Deutschland geübt hatte. Zum Gipfel-Auftakt kam es außerdem zu einer ersten persönlichen Begegnung von Trump und Putin, die sich später noch zu einem direkten Gespräch treffen wollten. Es wurde erwartet, dass sie unter anderem über die Krisen in Syrien und Nordkorea sprechen.

Nach Merkels Begrüßung zogen sich die Staats- und Regierungschef zu einem ersten Meinungsaustausch in kleiner Runde zurück. Dabei ging es um den Kampf gegen den weltweiten Terrorismus. Die G20-Staaten streben hier eine engere Zusammenarbeit an, insbesondere beim Informationsaustausch und bei der Trockenlegung der Finanzierungsquellen von Terroristen.

WELTWIRTSCHAFT UND FREIHANDEL ZUERST

Die erste offiziellen Arbeitssitzung befasste sich dann mit der Lage der Weltwirtschaft und dem Freihandel - eines der vermutlich großen Konfliktthemen des Treffens. Merkel saß neben dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping, neben dem wiederum Trump Platz genommen hatte. Merkel gab nach Angaben aus Diplomatenkreisen zunächst das Wort an Trump, dann aber gleich an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker - offenbar, um die Rolle der EU zu unterstreichen. Während Trump dargestellt habe, wie gut es der US-Wirtschaft seit seiner Amtsübernahme gehe, habe Juncker die Stärke der EU-Wirtschaft betont und auf die Grundsatzvereinbarung über einen Freihandelsvertrag zwischen der Europäischen Union und Japan verwiesen.

Am Freitag sollte mit dem Klimaschutz auch das zweite große Streitthema auf den Tisch kommen. Sowohl beim Handel als auch beim Klima hatte Trump den Kurs seines Vorgängers Barack Obama geändert und den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimavertrag angekündigt. Allerdings wollte er wegen des Treffens mit Putin wohl nicht selbst an der klimapolitischen Debatte teilnehmen.

Während der Runden der Staats- und Regierungschefs berieten deren Unterhändler über die Abschlusserklärung, die am Samstag zum Ende des Treffens veröffentlicht wird. Ob es zu einem gemeinsamen Bekenntnis zu Klimaschutz und Freihandel kommt, ist wegen der US-Positionen unklar. Großbritanniens Regierungschefin Theresa May sagte der BBC, sie halte es für möglich, dass Trump den Ausstieg aus dem Klimavertrag revidiere. Teilnehmer des G20-Gipfels würden ihn dazu auffordern, einen Weg zurück zu finden. "Ich glaube, es ist möglich", sagte sie. Merkel hatte für ihren Kurs in der Klimapolitik zuletzt Rückendeckung der meisten ihrer G20-Kollegen erhalten.

Die wichtigsten Schwellenländer der G20, die in der Brics-Gruppe (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) zusammenarbeiten, plädierten ebenfalls für die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens. Daneben sprachen sie sich für ein offenes und transparentes Handelssystem aus. Merkel hatte am Donnerstag betont, dass sie sich als Gastgeberin für deutsche und europäische Interessen einsetze, aber auch nach Kompromissen für die Gipfelerklärung suchen werde, die nur einstimmig verabschiedet werden kann. Beim Thema Handel will Trump die Wirtschaft seines Landes besser vor schützen.

JUNCKER: "IN GEHOBENER KAMPFESSTIMMUNG"

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker drohte am Morgen im internationalen Stahlstreit im Falle neuer Strafzölle mit raschen Gegenmaßnahmen. "Ich möchte Ihnen mitteilen, dass wir innerhalb von wenigen Tagen - da brauchen wir keine zwei Monate - mit Gegenmaßnahmen reagieren werden, in der Hoffnung, dass all dies nicht notwendig sein wird", sagte Juncker: "Wir sind in gehobener Kampfesstimmung." Trump geht mit Strafzöllen bereits gegen Salzgitter und die Dillinger Hütte vor. In Hamburg will er nach Angaben der US-Regierung die Verringerung von Überkapazitäten verlangen. Dies zielt vor allem auf China ab, den weltgrößten Stahlproduzenten.

Als unstrittig galten in Hamburg dagegen die Finanzthemen. "Da gibt es keine größeren Probleme", sagte ein G20-Teilnehmer Die weitgehende Einigkeit gelte auch für strengere Regeln für Banken und die Finanzwirtschaft insgesamt, mit denen eine Wiederholung der Krise von 2008 ausgeschlossen werden soll.

ERSTES TREFFEN PUTIN - TRUMP

Mit Spannung wurde die Begegnung von Trump und Putin erwartet. Trump hatte Russland am Donnerstag in Polen eine destabilisierende Rolle vorgeworfen. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel begrüßte das Treffen: "Wenn das Verhältnis zwischen den USA und Russland so schlecht bleibt wie jetzt, ist das schlecht für die ganze Welt. Deshalb lohnt sich das Treffen."

In der Nacht war es zu heftige Ausschreitungen zwischen Polizei und G20-Gegnern gekommen mit vielen Verletzten auf beiden Seiten. Die Krawalle setzten sich am Morgen fort. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble musste wegen der angespannten Sicherheitslage einen Termin in der City absagen. Der Hamburger Innensenator Andy Grote sprach am späten Morgen von rund 160 verletzten Polizisten. Die Polizei beklagte, einer ihrer Hubschrauber sei mit einer Leuchtrakete beschossen worden. Die Ordnungshüter forderten weitere Unterstützung an. "Wir haben bundesweit angefragt, ob Kräfte frei wären, und das wird geprüft", sagte ein Polizeisprecher. Insgesamt sind bereits rund 15.000 Polizisten wegen des G20-Gipfels vor Ort.

Salzgitter AG

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