Reuters

Audi-Aktionäre rügen Diesel-Aufklärung - und VW-Personal

09.05.2018
um 16:31 Uhr

Ingolstadt (Reuters) - Nach zweieinhalb Jahren Aufarbeitung, vielen Negativschlagzeilen und einem neuen Manipulationsverdacht haben die Kleinaktionäre von Audi die Nase voll vom Umgang der VW-Tochter mit der Abgasaffäre.

"Der Aufsichtsrat hat versagt", sagte Andreas Breijs von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) mit Blick auf den am Dienstag bekannt gewordenen Rückruf 60.000 zusätzlicher Dieselfahrzeuge. "Er hat keine wirksamen Kontrollmechanismen installiert." Bei der Hauptversammlung am Mittwoch in Ingolstadt bemängelten Anteilseigner zudem, dass die Aufklärung langsam vorangehe, und Audi zahm gegenüber früheren Führungskräften vorgehe. Kritik wurde auch an den vielen VW-Vertretern im Audi-Aufsichtsrat laut, bis hin zum frisch gewählten Chefkontrolleur Herbert Diess.

VW hält 99,55 Prozent an Audi und stellt traditionell den Chefkontrolleur in Ingolstadt. Diess dürfe die Fehler seiner Vorgänger - Matthias Müller und Martin Winterkorn - nicht wiederholen, mahnte ein Kleinaktionär. Diese seien "Teil des Problems" gewesen. Breijs von der DSW sagte, es sei nicht geschickt, Personen zu Audi-Aufsichtsräten zu machen, die in die Dieselaffäre oder Verfahren wegen Marktmanipulation verstrickt seien. "Ich kann verstehen, dass Herr Pötsch hier mit seinen alten Kumpels sitzen will." Hans Dieter Pötsch ist Aufsichtsratschef von VW und war lange Finanzvorstand des Wolfsburger Konzerns, als dieser von Winterkorn gelenkt wurde. Müller war vor seinem Job in Wolfsburg lange Porsche-Chef. Der frisch gekürte Volkswagen-Chef Diess war in der Zeit der VW-Abgastricksereien noch Manager bei BMW; allerdings ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen ihn wegen des Verdachts der Marktmanipulation.

Müller und Winterkorn hätten "plumpe Arroganz" an den Tag gelegt, kritisierte Breijs. Der von der US-Justiz erlassene Haftbefehl gegen Winterkorn wecke die Hoffnung, dass es ihm "doch noch an den Kragen geht", sagte der DSW-Vertreter weiter. "Er trägt für einen Großteil die Verantwortung." Mehrere Aktionärsvertretern äußerten die Sorge, dass Audi den Ex-VW-Chef und andere frühere Manager nicht oder nicht ausreichend zum Schadenersatz für den milliardenteuren Dieselskandal heranziehe. Diess sagte, die Prüfung von Regressforderungen gegen amtierende oder ehemalige Vorstandsmitglieder brauchten noch Zeit. "Ich verstehe da Ihre Ungeduld." Man müsse allerdings aufpassen, dass keine Vorverurteilungen ausgesprochen würden. Audi-Chef Rupert Stadler sagte, der Vorstand prüfe Regressforderungen gegen amtierende oder ehemalige Aufsichtsratsmitglieder, darunter auch Winterkorn. Dies werde "noch einige Zeit" in Anspruch nehmen.

Auch an der Wahl von Gunnar Kilian, dem neuen VW-Personalvorstand, in den Audi-Aufsichtsrat wurde auf der Hauptversammlung Kritik laut. Seine Vita - er war unter anderem Büroleiter des Ex-VW-Patriarchen Ferdinand Piech und Geschäftsführer des VW-Betriebsrates - wecke "ungute Erinnerungen an das 'System Volkswagen'" und spreche für "Verquickung von Interessen", bemängelte ein Kleinanleger.

Helmut Kroll von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) sagte: "Es wird Zeit, dass endlich ein Schlussstrich unter die Thematik Diesel gezogen wird." Audi-Vorstandsmitglied Bernd Martens, der intern die Aufklärung des Dieselskandals leitet, konnte den Aktionären keine Hoffnung auf ein rasches Ende machen: "Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit." Die Behörden wüssten, dass Audi die internen Untersuchungen noch nicht abgeschlossen habe. "Wir sind ein großes Stück vorangekommen, aber es ist noch nicht alles erledigt."

Den jüngsten Ärger um 60.000 weitere Dieselfahrzeuge mit womöglich unzulässiger Abschalteinrichtung - zusätzlich zu den bekannten 850.000 - will Audi rasch hinter sich bringen. Man habe "eine kurzfristige Lösung in Form eines Software-Updates erarbeitet", sagte Stadler. "Diese stellen wir in Kürze dem Kraftfahrt-Bundesamt zur Freigabe vor." Die Entscheidung über die Lösung und das weitere Vorgehen liegt bei den Behörden. Stadler sprach von einem "Arbeitsfehler in einer unserer Fachabteilungen": "Ja, der ist gravierend." Es handle es sich aber nicht um einen neuen Software-Fehler, sondern um einen bekannten. Der Audi-Chef bekräftigte: "Die Dieselkrise ist für uns noch nicht abgeschlossen."

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