Reuters

Mindestens 35 Tote bei Einsturz von Autobahnbrücke in Genua

15.08.2018
um 07:11 Uhr

- von Stefano Rellandini

Genua (Reuters) - Beim Einsturz einer Autobahnbrücke in Genua sind italienischen Medienberichten zufolge mindestens 35 Menschen ums Leben gekommen.

Das Unglück ereignete sich am Dienstagmorgen, als bei starken Regenfällen Dutzende Fahrzeuge auf der Brücke unterwegs waren. Plötzlich brach auf 50 Metern Höhe ein etwa 80 Meter langer Abschnitt des Bauwerks zusammen. Ein Augenzeuge sprach im Rundfunk von "apokalyptischen Szenen". Der private Betreiber Autostrade erklärte, der Einsturz sei nicht zu erwarten gewesen und die Ursache dafür noch unklar. Binnen Stunden nach dem Unglück forderte die populistische Regierung in Rom von der Europäischen Union mehr finanziellen Freiraum für Investitionen in die Infrastruktur des Landes.

Die Nachrichtenagentur Ansa berief sich bei der Zahl von mindestens 35 Toten auf fünf Feuerwehrleute, die vor Ort im Einsatz waren. Die Zivilschutzbehörde bestätigte zunächst den Tod von 20 Menschen und sprach von 16 Verletzten. Es sei aber zu befürchten, dass die Zahl der Todesopfer noch steige, erklärte die Behörde. Rund 30 Autos und fünf bis zehn Lastwagen seien zum Zeitpunkt des Unglücks auf der Brücke gewesen.

EIN LASTWAGEN KAM UNMITTELBAR VOR ABBRUCHKANTE ZUM STEHEN

Im Fernsehen waren Bilder von einem Lastwagen zu sehen, der unmittelbar vor der Abbruchkante gestoppt war. Der fallende Brückenabschnitt stürzte auf Gebäude sowie Gleise und begrub mehrere Fahrzeuge unter sich. Vier Personen seien aus den Trümmern gerettet worden, berichtete der Fernsehsender Sky Italia. Ein Polizeisprecher sagte, man hoffe, weitere Überlebende zu finden. Rund 200 Feuerwehrleute waren vor Ort. Große Betonteile stürzten in ein Flussbett.

Das als Morandi-Brücke bekannte Polcevera-Viadukt gehört zur Mautautobahn A10, einer Hauptverkehrsader an die italienische Riviera und nach Südfrankreich. Die Schrägseilbrücke mit riesigen Trägern wurde 1967 fertiggestellt und vor zwei Jahren instandgesetzt. Der Autobahn-Betreiber Autostrade erklärte, zum Zeitpunkt des Einsturzes seien gerade Arbeiten im Gange gewesen, um das Fundament der insgesamt 1,2 Kilometer langen Brücke zu verstärken. Die Zivilschutzbehörde erklärte dagegen, sie wisse von keinen aktuellen Wartungsarbeiten.

BETREIBER WILL BRÜCKE SCHNELLSTMÖGLICH WIEDER AUFBAUEN

"Die Arbeiten und der Gesamtzustand der Brücke wurden ständig überwacht", teilte Autostrade mit. "Die Einsturzursache wird gründlich untersucht, sobald es sicher ist, die Unglücksstelle zu betreten." Dabei werde eng mit den Behörden zusammengearbeitet. Es werde ermittelt, wie die Brücke so sicher, schnell und effizient wie möglich wieder aufgebaut werden könne. Am Dienstag wurde der Eisenbahnverkehr rund um Genua vorerst eingestellt.

Verkehrsminister Danilo Toninelli schrieb auf Twitter, es zeichne sich eine "riesige Tragödie" ab. Das Unglück belege den maroden Zustand der Infrastruktur in Italien und die Wartungsmängel, sagte er dem staatlichen Fernsehen. Die Verantwortlichen würden dafür büßen müssen. Sein Ministerium werde Klage gegen den Autobahn-Betreiber einreichen, falls ein Gericht eine Untersuchung einleiten werde.

POPULISTISCHE REGIERUNG WILL MEHR GELD FÜR INFRASTRUKTUR

Die populistische Regierung Italiens war im Juni angetreten mit dem Versprechen, die öffentlichen Investitionen zu erhöhen. Die Ausgaben für die Sicherheit der Italiener hätten Vorrang vor den Sparanstrengungen, sagte Vize-Regierungschef Matteo Salvini. "Der tragische Vorfall in Genua erinnert uns daran, wie dringend wir öffentliche Investitionen benötigen", sagte Claudio Borghi, der Wirtschaftssprecher der rechtspopulistischen Lega. Ministerpräsident Giuseppe Conte wollte nach Angaben seines Büros am Abend nach Genua reisen und auch am Mittwoch dort bleiben. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kondolierte seinem italienischen Amtskollegen Sergio Mattarella.

Die Aktien von Autostrade brachen um 8,8 Prozent ein und wurden vom Handel ausgesetzt. Der Atlantia-Konzern, der Autostrade kontrolliert und hinter dem die Benetton-Familie steht, ist auch in Deutschland nicht unbekannt: Die Italiener hatten sich jüngst mit dem deutschen Bauriesen Hochtief verbündet, um den spanischen Mautautobahn-Betreiber Abertis zu übernehmen. Atlantia soll im Zuge der Transaktion auch direkt bei Hochtief einsteigen und knapp über 24 Prozent der Anteile halten.

HOCHTIEF AG

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