Reuters

Neuer deutscher Wohnungsriese will Branche aufmischen

21.09.2015
um 13:31 Uhr

- von Kathrin Jones

Frankfurt (Reuters) - Das Fusionsfieber auf dem deutschen Immobilienmarkt steigt: Gerade erst hat es der größte Wohnungskonzern Vonovia nach einer rasanten Einkaufstour in die erste Börsenliga geschafft, jetzt setzen die Nummer zwei und drei der Branche - Deutsche Wohnen und LEG Immobilien - zur Aufholjagd an.

Bis zum Jahresende wollen die beiden Konzerne über einen Aktientausch zusammengehen. Inklusive Schulden ist der Deal rund acht Milliarden Euro schwer. "Wir sind der Meinung, dass dieser Zusammenschluss viele Vorteile bringen wird", erklärte Vorstandschef Michael Zahn am Montag. Beide Unternehmen hätten qualitativ hochwertige Wohnungen und eine niedrige Verschuldung. Mit gebündelten Kräften seien weitere, wenn auch eher kleinere Zukäufe möglich. Außerdem dürften mehr internationale Investoren angelockt werden. Die "neue" Deutsche Wohnen werde so nach Börsenwert in die Top-Liga der europäischen Immobiliengesellschaften vorstoßen.

Zahn stellte die Pläne in einer gemeinsamen Telefonkonferenz mit LEG-Chef Thomas Hegel vor, der stellvertretender Vorstandschef des neuen Konzerns werden soll. Der LEG-Vorstand ist nach monatelangen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen im Boot. Die Werbetour bei den Aktionären beginnt dagegen erst in dieser Woche. Gemeinsam kämen Deutsche Wohnen und LEG auf rund 250.000 Wohnungen - noch immer ein Stück entfernt von Vonovia mit bundesweit 350.000, aber eben nicht mehr ganz so abgeschlagen. Damit gewinnt die von Experten seit Jahren geforderte Konsolidierung des zersplitterten deutschen Marktes neuen Schwung. Das Geschäft ist skalierbar: Für die Bewirtschaftung eines größeren Bestandes braucht man nicht unbedingt mehr Leute. Außerdem hoffen die Unternehmen auf eine größere Einkaufsmacht bei den Baufirmen, etwa wenn es um die Sanierung der Wohnungen geht.

BILLIGGELD TREIBT FUSIONEN AN

Die Niedrigzinspolitik der Notenbanken heizte das Streben nach Größe in den vergangenen Jahren mit an, zumindest indirekt. Denn die Immobiliengesellschaften hatten keine Probleme, Deals durch immer neue Kapitalerhöhungen zu finanzieren. Die Investoren zogen mit, weil die Aktien gut liefen und mit anderen Anlagen kaum Geld zu verdienen ist. Das könnte sich aber ändern, wenn die Zinsen wieder hochgehen, warnen Branchenkenner.

Vonovia - bislang bekannt als Deutsche Annington - hatte zuletzt besonders viele Übernahmen gestemmt, inklusive der mächtigen Rivalin Gagfah. Deutsche Wohnen drohte abgehängt zu werden, erst recht, nachdem Zahn im Frühjahr mit der feindlichen Übernahme der österreichischen Conwert gescheitert war. Vonovia schaffte es nun als erster Immobilienkonzern überhaupt in den Dax, zum Debüt notierte die Aktie am Montag allerdings mit dem Markt leicht im Minus. Die Reaktion der Anleger auf die Fusionspläne von Deutsche Wohnen und LEG fiel gemischt aus: Mit einem Plus von zeitweise sechs Prozent war die LEG-Aktie größter Gewinner im Nebenwerteindex MDax. Dagegen büßte die Deutsche-Wohnen-Aktie fast ebenso viel ein - hier werden die Anleger abermals über eine Kapitalerhöhung zur Kasse gebeten.

Zahn spielte das Thema Dax zwar herunter. Gemessen an der Marktkapitalisierung - gut 13 Milliarden Euro - hätte der fusionierte Konzern aber durchaus Chancen, schon im Dezember außerplanmäßig in die erste deutsche Börsenliga aufzusteigen. Bis dahin müsste das Unternehmen beim Aktienumsatz allerdings mindestens Platz 25 erreichen; aktuell liegt Deutsche Wohnen nach Reuters-Daten auf Rang 39.

BERLIN IST ZU TEUER GEWORDEN

Die mittelgroße LEG Immobilien galt mit ihrer Beschränkung auf Nordrhein-Westfalen schon länger als Übernahmekandidat. Nun hat die expansionshungrige Deutsche Wohnen zugeschlagen, die bislang vor allem in Berlin und dem Rhein-Main-Gebiet vertreten ist. Einige Analysten bemängelten, damit verwässere das Unternehmen seinen klaren Fokus auf Berlin. Zahn verteidigte die Entscheidung: Die Hauptstadt sei viel zu teuer geworden. "Die Zeit des Einkaufens ist mehr oder weniger vorbei." Dagegen biete Nordrhein-Westfalen neue Wachstumschancen, hier könnten noch einzelne Portfolios zugekauft werden. Neben Berlin soll Düsseldorf als zweiter großer Standort aufgebaut werden. Zu Stellenstreichungen etwa in den Verwaltungsbereichen wollten sich Zahn und Hegel noch nicht in die Karten schauen lassen. Grundsätzlich rechnen sie mit Synergien von 35 Millionen Euro vor Steuern. Auf Pro-Forma-Basis kommt das neue Unternehmen 2016 auf ein operatives Ergebnis aus dem laufenden Geschäft (FFO) von knapp 600 Millionen Euro, rechnete Zahn vor. Damit ergäben sich auch für die Dividende ganz neue Spielräume.

Um die Verschuldung niedrig zu halten, soll die Übernahme nicht in bar, sondern mit Aktien finanziert werden. Die LEG-Aktionäre sollen für je zehn ihrer Aktien 33 neue Deutsche-Wohnen-Papiere erhalten. Das entspricht 79,37 Euro je LEG-Aktie - zum Schlusskurs vom Freitag ein Aufschlag von rund 13 Prozent. Deutsche Wohnen will mindestens 50 Prozent plus eine Aktie einsammeln. Die eigenen Aktionäre sollen am 28. Oktober über die Sachkapitalerhöhung abstimmen, die nötig ist, um neue Aktien für den Umtausch zu schaffen.

Deutsche Wohnen SE

WKN A0HN5C ISIN DE000A0HN5C6

LEG Immobilien SE

WKN LEG111 ISIN DE000LEG1110