- von Matthias Inverardi und Klaus Lauer
Düsseldorf/Berlin (Reuters) - Kauffreudige Verbraucher bescheren dem deutschen Einzelhandel ein Rekordjahr.
Der Branchenverband HDE erhöhte am Donnerstag seine Prognose für das Umsatzwachstum 2015 um einen halben Punkt auf zwei Prozent. "Wenn es weiter so gut läuft, könnten am Ende sogar mehr als zwei Prozent rauskommen", bilanzierte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth in Düsseldorf. "Die Reallöhne steigen, die Erwerbstätigkeit ist hoch und die Inflation gering." Die Umsätze könnten sich auf 469 Milliarden Euro summieren. Vor allem der Online-Handel lege kräftig zu. Aber auch der Einzelhandel mit Kosmetik, Uhren und Schmuck sowie Unterhaltungselektronik entwickele sich überdurchschnittlich.
Sorgen um die Weltwirtschaft und die Folgen des Flüchtlingszustroms in Europa trüben nach Angaben der GfK-Marktforscher jedoch die Kauflaune. So fällt das Barometer für das Konsumklima im Oktober unerwartet deutlich auf 9,6 Punkte von 9,9 Zählern im September, wie die GfK zur Umfrage unter 2000 Verbrauchern mitteilte. Das ist der niedrigste Wert seit Februar. Laut GfK-Experte Rolf Bürkl verunsichern internationale Krisenherde wie die Ukraine und der Nahe Osten die Verbraucher.
Falls der Zustrom der Flüchtlinge anhalte, dürfte dies den Konjunkturoptimismus der Bürger weiter negativ beeinflussen, sagte Bürkl. Mehr Deutsche rechneten mit einer steigenden Arbeitslosigkeit: "Die Entwicklung der Zahlen legt die Vermutung sehr nahe, dass die Flüchtlingskrise mit dazu beiträgt, dass sich die Verbraucherstimmung etwas gedämpft zeigt." Dies kann der Forscher aber nicht mit harten Fakten belegen. Aus einer ARD-Umfrage geht hervor, dass die meisten Deutschen weiterhin keine Angst vor zu vielen Flüchtlingen haben.[ID:nL5N11G4CP]
Die Einzelhändler äußerten sich überrascht zu den GfK-Daten. "Die Konsumstimmung ist gut, die Geschäftslage hat sich verbessert", sagte Genth. "Die Verbraucher gönnen sich etwas, sie investieren in neue Küchen und Wohnzimmer." Shoppen im Internet wird immer beliebter. Der E-Commerce dürfte dieses Jahr um zwölf Prozent zulegen. "Der Anteil am Gesamtumsatz liegt derzeit bei neun Prozent, bis 2020 wird er auf 20 Prozent wachsen."
HANDEL UND FLÜCHTLINGE PROFITIEREN VONEINANDER
Die Unternehmen beschäftigen nach Genths Worten bereits viele Mitarbeiter mit Migrationshintergrund. "Wir sehen die Möglichkeit, Flüchtlinge in Arbeit und Beschäftigung zu bringen und ihnen so eine Perspektive zu geben." Zugleich dürften die Händler laut Ifo-Institut von der Zuwanderung profitieren. "Wir sehen schon, dass das Geld, was für Flüchtlinge ausgegeben wird, entweder durch Sachleistungen oder durch Geld für Waren des täglichen Bedarfs, dass sich das schon in einem deutlichen Umsatzanstieg in den Supermärkten widerspiegelt", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe zu Reuters.
Die hohe Zahl von Flüchtlingen dürfte derweil zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen. Diese Zuwanderung werde sich nächstes Jahr in der Statistik mit 130.000 Arbeitslosen niederschlagen, erklärte das IAB-Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit. Das werde 2016 zu einem Anstieg der Arbeitslosenzahl von 70.000 auf rund 2,87 Millionen führen. Ohne den Effekt hätte es einen Rückgang gegeben. Gleichzeitig werde aber die Erwerbstätigkeit mit einem Plus von etwa 250.000 auf 43,16 Millionen auf einen Rekordwert klettern.