Reuters

Experten sehen Deutschland im Aufschwung -Risiko VW-Skandal

08.10.2015
um 15:27 Uhr

- von Rene Wagner und Klaus Lauer und Reinhard Becker

Berlin (Reuters) - Trotz schwächelnder Weltkonjunktur erwarten die führenden Forschungsinstitute eine robuste Wirtschaft in Deutschland.

Für dieses und nächstes Jahr sagen die Ökonomen ein Wachstum von jeweils 1,8 Prozent voraus - vor allem wegen der großen Kauffreude der Deutschen. Weitere Impulse erwarten die Ökonomen in ihrem am Donnerstag vorgestellten Herbstgutachten durch die Ankunft Hunderttausender Flüchtlinge. Sie sehen allerdings auch Risiken für den Aufschwung: Dazu gehören der unerwartete Exporteinbruch im August - der größte seit der Finanzkrise 2009 - und die Volkswagen-Affäre.

"Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem verhaltenen Aufschwung", sagte Konjunkturchef Roland Döhrn vom RWI-Institut zum 88-seitigen Bericht mit dem Titel "Deutsche Konjunktur stabil - Wachstumspotenziale heben". Für Schwung sorge die gute Inlandskonjunktur, da die Verbraucher ihren Konsum dank der Rekordbeschäftigung in diesem und im nächsten Jahr um knapp zwei Prozent steigern dürften. Auch die Exporte sollen zulegen.

DEUTSCHER EXPORT BRICHT IM AUGUST EIN

Allerdings nähren zuletzt enttäuschende Ausfuhrzahlen Zweifel daran: Im August brachen die Exporte um 5,2 Prozent zum Vormonat ein - so stark wie seit Januar 2009 nicht mehr. Die Sommerferien, die diesmal stärker in den August hineinragten als normalerweise üblich, dürften zum Rückgang beigetragen haben. Ebenso die geringere Nachfrage aus wichtigen Schwellenländern. "Die Schwäche von China, Brasilien, Russland und Co. schlägt sich nieder", sagte der Europa-Chefvolkswirt der Nordea-Bank, Holger Sandte. "Sie trifft Deutschland stärker als andere europäische Länder, weil die Unternehmen dort stärker engagiert sind." Rund 30 Prozent der Exporte gingen dorthin.

Eine Gefahr für den Aufschwung sehen die Institute im Abgas-Skandal bei Volkswagen. Der Konzern stelle etwa zehn Millionen Fahrzeuge im Jahr her. "Das sind gigantische Zahlen. Wenn es da Schwierigkeiten gibt, dann hat das Konsequenzen", sagte der Konjunkturchef des Berliner DIW-Instituts, Ferdinand Fichtner. Zwar dürfte der Skandal nicht direkt auf Produktion und Exporte durchschlagen. Da aber mit solchen Manipulationen erfahrungsgemäß ein Imageverlust verbunden sei, könne auch ein Schatten auf das Gütesiegel "Made in Germany" insgesamt fallen. Volkswagen hat zugegeben, Dieselautos mit einer Software ausgestattet zu haben, die Abgaswerte manipuliert. Davon sollen elf Millionen Fahrzeuge betroffen sein. Als Europas größter Autobauer ist VW ein wichtiger Taktgeber der Wirtschaft.

Der starke Flüchtlingszustrom führt laut Instituten dazu, dass die Zahl der Arbeitslosen im nächsten Jahr erstmals seit 2013 wieder zunimmt - und zwar um rund 75.000 auf knapp 2,9 Millionen. Für die öffentlichen Haushalte zeichne sich für 2016 ein Überschuss von 13 Milliarden Euro ab. Dies sei deutlich weniger als das für 2015 erwartete Plus von rund 23 Milliarden Euro – "nicht zuletzt aufgrund zusätzlicher Ausgaben für die Bewältigung der Flüchtlingsmigration". Die staatlichen Mehrkosten bezifferten die Experten auf vier Milliarden Euro in diesem Jahr und elf Milliarden Euro im nächsten Jahr. "Sie wirken ähnlich wie ein Konjunkturprogramm", sagte Fichtner.

Wie stark die Flüchtlinge mittelfristig die Wirtschaft ankurbeln könnten, hänge entscheidend von ihrer Integration vor allem in den Arbeitsmarkt ab. Sprachkurse alleine reichten nicht aus, betonten die Ökonomen. Zudem sollten die Asylbewerber nicht dort untergebracht werden, wo es günstigen Wohnraum gebe, sondern eher dort, wo es Jobs gebe.

Die Prognose des Münchner Ifo-Instituts, des DIW, des Essener RWI und des IWH aus Halle entspricht den bisherigen Schätzungen der Bundesregierung. Diese will noch im Oktober ihre Konjunkturvorhersagen überarbeiten.

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