Brüssel (Reuters) - Nach dem Start von Massenimpfungen in Großbritannien und der Notfallgenehmigung in den USA für den Corona-Impfstoff von BionTech und Pfizer wächst der Druck auf die europäische Arzneimittelbehörde für eine Zulassung in der Europäischen Union.
Vier EU-Insider sagten Reuters, die EU-Kommission sowie europäische Regierungen forderten die Arzneimittelbehörde EMA auf, das Vakzin schneller zuzulassen. Der Druck auf die Behörde habe über die "üblichen Kommunikationskanäle" zugenommen, seit die britische Aufsichtsbehörde dem Impfstoff am 2. Dezember eine Notfallgenehmigung erteilt habe, sagte ein Vertreter der EMA am Montag.
"Alle nötigen Daten zu BioNTech liegen vor", schrieb Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am Sonntag beim Kurznachrichtendienst Twitter. Das Vereinigte Königreich und die USA hätten bereits Zulassungen erteilt. "Eine Prüfung der Daten und die Zulassung durch die EMA sollten schnellstmöglich erfolgen."
Die EMA hatte wiederholt auf Anfrage von Reuters in den vergangenen Tagen per Email erklärt, sie spüre keinen politischen Druck hinsichtlich einer schnelleren Entscheidung. Die Äußerungen von Spahn wollte sie nicht kommentieren. Die Europäische Kommission wies zurück, Druck ausgeübt zu haben, um eine rasche Genehmigung zu erreichen.
Biontech und Pfizer hatten vor zwei Wochen bei der EMA einen Antrag auf eine bedingte Markzulassung ihres Covid-19-Impfstoffs eingereicht. Die EMA hatte daraufhin erklärt, ihre Bewertung bis spätestens zum 29. Dezember abschließen zu wollen. Normalerweise benötigt die Genehmigung für einen Impfstoff durch die Behörde mindestens sieben Monate. EU-Vertreter hatten wiederholt betont, dass bei der Zulassung eines Impfstoffs keine Abkürzungen genommen würden. Eine schnellere Genehmigung des Biontech-Mittels sei möglich, da die Unternehmen bereits seit Anfang Oktober die verfügbaren Daten zu ihrem Vakzin bei der EMA einreichen und die Behörde diese seitdem fortlaufend überprüft.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnte davor, bei der Genehmigung von Impfstoffen Druck auf die Behörden auszuüben. Alle wünschten sich, dass der Impfstoff so früh komme wie möglich, bei einer überhasteten Einführung drohten aber neue Verschwörungstheorien zu entstehen. Die gegenwärtige Rekordgeschwindigkeit bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen das Coronavirus wird in vielen Umfragen als einer der Hauptgründe für Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Impfstoffe und das Vertrauen in sie genannt. Neun führende westliche Pharmakonzerne, darunter auch Pfizer und Biontech, hatten sich deshalb im Spätsommer in einem ungewöhnlichen Schritt zusammengeschlossen und zugesichert, in punkto Sicherheit und Wirksamkeit keine Kompromisse einzugehen.