Reuters

ING-Chefökonom - Stopp für AstraZeneca ist Gamechanger - "Kommt zur Unzeit"

16.03.2021
um 09:42 Uhr

Berlin (Reuters) - Der Stopp für den Astrazeneca-Impfstoff verzögert Experten zufolge die wirtschaftliche Erholung in Deutschland.

"Die Entscheidung ist ein kurzfristiger Gamechanger", sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Dadurch verzögere sich nicht nur die Impfkampagne weiter. Sondern es dürfte langfristig auch deutlich weniger Menschen geben, die AstraZeneca freiwillig nehmen werden.

"Wirtschaftlich betrachtet kommen die Probleme mit dem Impfstoff von AstraZeneca zur Unzeit", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer angesichts steigender Neuinfektionen. Entscheidend werde nun sein, wie lange Astrazeneca gesperrt bleibe. "Wenn es dauerhaft nicht mehr zum Einsatz käme, könnte sich der Zeitpunkt der Herdenimmunität um ein bis zwei Monate verschieben", sagte Krämer. Die Politiker wären dann wohl zurückhaltender beim Lockern der Corona-Beschränkungen, was den Beginn der wirtschaftlichen Erholung verzögern würde.

Deutschland und weitere EU-Staaten unterbrachen nach Berichten über Blutgerinnsel den Einsatz des Covid-19-Impfstoffs von Astrazeneca. Aufgrund einer aktuellen Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts setze die Bundesregierung die Erst- und Zweitimpfungen mit Astrazeneca vorsorglich aus, wie das Gesundheitsministerium am Montag mitteilte. Zahlreiche Impfzentren in Deutschland schlossen umgehend.

Brzeski erwartet, dass es nach Ostern wohl keine Lockerungen der Pandemie-Beschränkungen geben werde. Im Gegenteil: Die dritte Corona-Welle scheine bereits anzurollen und damit neue Lockdown-Maßnahmen. Es werde jetzt davon abhängen, wie viele andere Impfstoffe zugelassen und produziert werden können - und wie schnell. "Zusammengefasst: Mit der gestrigen Entscheidung verzögert sich der Konjunkturaufschwung wieder einmal, denn aktuell ist Konjunktur halt kaum etwas anderes als Impfstoff, Lockdown und Lockerungen", sagte der Chefvolkswirt.

Die meisten Experten erwarten, dass die deutsche Wirtschaft im laufenden ersten Quartal schrumpft - um etwa zwei Prozent. Bislang waren sie davon ausgegangen, dass im Frühjahr ein Aufschwung einsetzt. Nach Prognose des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) wird das Bruttoinlandsprodukt 2021 um 3,7 Prozent wachsen, nach einem Rückgang um 4,9 Prozent im Vorjahr.

AstraZeneca PLC

WKN 886455 ISIN GB0009895292