Berlin (Reuters) - Ökonomen, Verbände und Unternehmen befürchten angesichts der sich zuspitzenden Ukraine-Krise erhebliche wirtschaftliche Folgen auch für die deutsche Konjunktur.
"Die Unsicherheit wird massiv zunehmen", sagte Klaus Wohlrabe vom Münchner Ifo-Institut am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Besonders steigende Energiepreise könnten die deutschen Unternehmen weiter belasten. "Das wäre Gift für den Aufschwung", sagte Wohlrabe. Nach den Worten von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer kommt es nun darauf an, ob Russland bei einer weiteren Eskalation den Gashahn zudreht. "Würde es dies tun, besteht das Risiko einer Energiekrise, die den wirtschaftlichen Aufschwung zumindest zeitweise unterbrechen würde", warnte der Experte. "Das ist ein echtes Konjunkturrisiko." Treffen würde dies vor allem die Industrie.
Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) hofft noch auf eine diplomatische Lösung. "Mit großer Sorge schauen wir auf den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine", sagte BGA-Präsident Dirk Jandura. Die Bundesregierung müsse gemeinschaftlich mit den europäischen Partnern alles unternehmen, um die Parteien an den Verhandlungstisch zu bringen. Der Westen hat Russland mit harten wirtschaftlichen Sanktionen gedroht, sollte es in die Ukraine einmarschieren.
Auch viele Unternehmen blicken besorgt auf die Entwicklung. "Der Volkswagen Konzern hat mit Sorge und Betroffenheit die Verschärfung der Lage zur Kenntnis genommen", teilte der Autobauer auf Nachfrage mit. Man hoffe auf eine schnelle, friedliche Lösung des Konfliktes auf Grundlage des internationalen Rechts.
Der stark in Russland und der Ukraine engagierte Großhändler Metro beobachtet die aktuellen Entwicklungen ebenfalls mit Sorge. "Wir setzen weiterhin stark auf diplomatische Bemühungen aller Seiten, um eine weitere Eskalation abzuwenden", sagte ein Metro-Sprecher. "Unsere Verantwortung als Unternehmen in Russland liegt vor allem bei unseren rund 10.000 Mitarbeitern und 2,5 Millionen Kunden", betonte er. Bei den Kunden handele es sich um selbstständige Unternehmer vor allem aus Gastronomie und Handel, "die Treiber des russischen Mittelstands und für eine kulturell vielfältige Gesellschaft wichtig sind". Metro hatte im vergangenen Geschäftsjahr 2020/21 in Russland mit 93 Märkten einen Umsatz von rund 2,4 Milliarden Euro eingefahren. Der Konzern beschafft dort seine Lebensmittel vor allem aus heimischer Produktion. In der Ukraine betreibt Metro 26 Märkte und kam dort zuletzt auf rund 800 Millionen Euro Umsatz.
Der deutsch-russische Warenhandel summierte sich 2021 auf knapp 60 Milliarden Euro - ein Zuwachs von rund einem Drittel, in dem sich die zuletzt deutlich gestiegenen Energiepreise widerspiegeln. Die Summe entspricht einem Anteil von gut zwei Prozent am gesamten deutschen Warenaustausch mit anderen Ländern. Russland belegt damit Rang 13 der wichtigsten Handelspartner Deutschlands. Aus Russland wurden Waren im Wert von rund 33 Milliarden Euro geliefert, vor allem Rohstoffe wie Erdgas und Rohöl - das Land ist größter Energielieferant Deutschlands. Nach Russland exportiert wurden Waren im Wert von fast 27 Milliarden Euro, vor allem Maschinen, Fahrzeuge und Elektrotechnik.