Frankfurt (Reuters) - Die IG Metall Baden-Württemberg hat Erwartungen auf starke Lohnerhöhungen angesichts aktuell hoher Inflationsraten gedämpft.
"Exorbitante Inflationsraten sind nicht durch Tarifpolitik auszugleichen", sagte Roman Zitzelsberger, Leiter des wichtigen Tarifbezirks der Gewerkschaft, am Montag zur bevorstehenden Forderungsdiskussion der Mitglieder. Die Politik müsse als Mitverursacher den Teuerungsraten von derzeit über sieben Prozent entgegensteuern. Gleichwohl liege die Priorität der Mitglieder nach Befragungen bei einer deutlichen, dauerhaft wirksamen Erhöhung der Monatsentgelte, nachdem es in den vergangenen vier Jahren nur Einmalzahlungen gegeben habe.
Die Stahlindustrie, in der die Gewerkschaft mit einer Forderung von 8,2 Prozent Lohnerhöhung in die Verhandlungen zog, sieht Zitzelsberger nicht als Vorbild.[L5N2X23R3] Es komme auf die spezifische Situation in jeder Branche an. Für die Metall- und Elektroindustrie gelte ein anderes Niveau, signalisierte der Bezirkschef eine niedrigere Prozentzahl. Die Gewerkschaft werde ihrer Formel treu bleiben, die auf der Zwei-Prozent-Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank als einem Element beruht. Produktivitätszuwachs und eine aus Sicht der Gewerkschaft gerechtfertigte Umverteilung von Unternehmensgewinnen sind die anderen beiden Faktoren.
Die Lage der wichtigsten deutschen Industrie ist nach Einschätzung der Gewerkschaft gemischt. Einerseits verdienen viele Firmen gut und haben dicke Auftragsbücher. Andererseits sind Lieferkettenstörungen durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg Risikofaktoren. Ein Stopp der Gaslieferungen aus Russland wäre ein Schock, auf den sich die Tarifparteien mit schnelleren Vereinbarungen zu Kurzarbeit einstellen wollen. Dass die im September beginnenden Tarifverhandlungen deshalb verschoben würden, hält Zitzelsberger aber für unwahrscheinlich.
In allen IG-Metall-Bezirken laufen in den kommenden Wochen die Diskussionen über die Tarifforderung, die am 30. Juni beschlossen werden soll. Der neue Chef des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall, Joachim Schulz, erklärte jüngst, die Erwartungen der Tarifparteien lägen weiter auseinander als üblich. Er rechne mit einer enorm schwierigen Tarifrunde. Die Unternehmen seien durch steigende Kosten schwer belastet. "Deshalb darf es in der anstehenden Tarifrunde eigentliche keine zusätzlichen Belastungen durch steigende Personalkosten geben." Andererseits müssten die Arbeitgeber anerkennen, dass auch die Beschäftigten aufgrund der hohen Inflation belastet seien.
(Bericht von Ilona Wissenbach, redigiert von Ralf Bode,. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)