Reuters

Einst Sorgenkind, noch kein Musterschüler - Deutsche Bank beendet Umbau

02.02.2023
um 13:42 Uhr

- von Marta Orosz und Tom Sims

Frankfurt (Reuters) - Die Deutsche Bank schließt ihren Umbau dank höherer Zinsen und einem positiven Steuereffekt mit einem kräftigen Gewinnsprung ab.

"Indem wir uns auf unsere Stärken konzentriert haben, sind wir deutlich profitabler, diversifizierter und effizienter geworden", fasste Konzernchef Christian Sewing am Donnerstag auf der Bilanzpressekonferenz zusammen. Doch die maue Konjunktur wirft ihre Schatten auch auf Deutschlands größtes Geldhaus: Die Vorsorge für faule Kredite erhöhte die Bank 2022 auf 1,2 Milliarden Euro, mehr als das Doppelte als im Vorjahr. Ein weiteres Risiko sei die Inflation, die hartnäckiger sein dürfte als viele dächten, sagte Sewing. An der Börse richtete sich der Blick denn auch mehr auf die Herausforderungen als auf die Zahlen zum abgelaufenen Jahr: Die Aktien fielen in der Spitze um mehr als fünf Prozent.

"Wir kommen zu dem Schluss, dass die Transformation unter der Führung von Vorstandschef Sewing bemerkenswert ist", schrieben die Analysten von JPMorgan. Es gebe aber wenig in den Ergebnissen, das die Gewinnerwartungen ändern würde. Unter dem Strich erzielte das Institut einen Gewinn von 5,03 Milliarden Euro, ein Plus von 159 Prozent. Damit übertraf die Deutsche Bank die Erwartungen der Analysten, die im Schnitt mit einem Nettogewinn von 4,17 Milliarden Euro gerechnet hatten. Getrieben wurde das auch von einem Steuereffekt von 1,4 Milliarden Euro, den die Bank mit der guten Geschäftsentwicklung in den USA begründete. Das selbstgesteckte Ziel, eine Eigenkapitalrendite von acht Prozent zu erzielen, übertraf die Bank mit 9,4 Prozent deutlich. Doch ohne den Steuereffekt liege die Rendite lediglich bei 6,8 Prozent, erklärten Analysten von Goldman Sachs.

Die Konzernerträge stiegen im Jahresvergleich um sieben Prozent auf 27,2 Milliarden Euro. Bis 2025 will die Bank ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 3,5 bis 4,5 Prozent erreichen. Die Aktionäre sollen eine Dividende von 0,30 je Aktie bekommen, ein Plus von 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Details zum Anfang 2022 angekündigten aber noch nicht gestarteten Aktienrückkaufprogramm wollte Sewing nicht nennen. "Wir stehen zum Rückkaufprogramm, wollen aber abwarten, wie sich die Wirtschaft in den kommenden Monaten entwickelt", sagte er.

WEITER VERBESSERUNGSBEDARF BEI KOSTEN

Das einstige Sorgenkind der europäischen Bankenbranche schloss mit 2022 das dritte Jahr infolge mit Gewinn ab. Der 52-jährige Sewing, der das Institut aus der Verlustzone führte, hat vor allem an der Kostenschraube gedreht. Die Aufwand-Ertrags-Quote verbesserte sich auf 75 Prozent von 85 Prozent im Vorjahr. Analysten hatten allerdings hier mit mehr Fortschritten gerechnet. Zum Vergleich: Bei der spanischen Bank Santander lag die Quote bei 45,8 Prozent, bei der niederländischen ING bei 55 Prozent. Diese Banken müssen also viel weniger aufwenden, um einen bestimmten Ertrag zu erzielen. Andreas Thomae, Fondmanager beim Deutsche-Bank-Aktionär Deka, bezeichnete die Aufwand-Ertrags-Relation als enttäuschend.

Insgesamt sanken die zinsunabhängigen Aufwendungen um fünf Prozent auf 20,4 Milliarden Euro. Hier schlugen sich immer noch Kosten für Rechtsstreitigkeiten, Vergleiche und aufsichtsrechtliche Maßnahmen nieder. Details wollte Finanzchef James von Moltke nicht nennen. Es gebe laufende Gespräche mit Behörden und Vergleiche im Zusammenhang mit Sanktionen und Embargos, sowie Kosten zur Verbesserung von Defiziten im Risikomanagement, hieß es in der Mitteilung.

HÄNDLER RETTEN DIE GEWINNE DER INVESTMENTBANK

Sewing hatte sich als Ziel gesetzt, die Erträge der Bank auf die weniger volatilen Bereiche wie das Privat- und Unternehmenskundengeschäft zu stützen. Unerwarteten Rückenwind bekamen diese Bereiche im vergangenen Jahr vor allem durch die Notenbanken, die mit Zinserhöhungen der Inflation begegneten: Erträge im Geschäft mit Unternehmenskunden stiegen um 23 Prozent auf 6,3 Milliarden Euro, im Privatkundengeschäft um elf Prozent auf 1,7 Milliarden Euro. "Fast zwei Drittel der Erträge stammen heute aus unseren sogenannten stabilen Geschäftsfeldern", sagte der Bankchef.

Die Volatilität auf den Märkten beflügelte das Handelsgeschäft mit Anleihen und Währungen, bei dem die Erträge um 26 Prozent auf 8,9 Milliarden stiegen. Die Händler retteten damit die Gewinne der Investmentbank, der die Flaute bei Fusionen und Übernahmen nicht erspart blieb: Die Erträge der Investmentbanker im Emissons- und Beratungsgeschäft sanken um 62 Prozent auf eine Milliarde Euro. Deshalb wurden die Boni der Investmentbanker gekürzt und einige Stellen gestrichen. Sewing schloss weitere Stellenstreichungen nicht aus. Doch die Bilanz der Deutsche Bank wurde durch das maue M&A-Geschäft nicht so stark belastet wie etwa die der US-Rivalen. Goldman Sachs und Morgan Stanley, deren Erträge vielmehr vom Investmentbanking abhängen, hatten im Schlussquartal 2022 Gewinnrückgänge von bis zu 70 Prozent verbucht.

(Bericht von Marta Orosz und Tom Sims; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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