Reuters

Mutmaßlicher Spionage-Ballon aus China sorgt in USA für Irritationen

03.02.2023
um 17:37 Uhr

- von Steve Holland und Idrees Ali und Humeyra Pamuk

Washington/Peking (Reuters) - Ein über den USA gesichteter mutmaßlicher Spionage-Ballon Chinas hat den Bemühungen um verbesserte Beziehungen der beiden Großmächte einen Dämpfer versetzt.

Eine unmittelbar bevorstehende Reise von US-Außenminister Antony Blinken in die Volksrepublik wurde verschoben, wie am Freitag aus Washingtoner Regierungskreisen verlautete. US-Militärs hätten den Abschuss des Ballons über dem Bundesstaat Montana in Erwägung gezogen. Schließlich habe Präsident Joe Biden aber anders entschieden, um Gefahren durch herabfallende Trümmer zu vermeiden. Das Pekinger Außenministerium erklärte, es handele sich um einen zivilen Forschungsballon unter anderem für meteorologische Zwecke. China bedaure, dass das Luftschiff in den US-Luftraum abgetrieben sei.

Blinken sollte bereits am Freitag zu der Reise nach China aufbrechen, die im November zwischen Biden und dem chinesischen Staatschef Xi Jinping vereinbart worden war. Ein Vertreter des US-Außenministeriums erklärte, nach Beratungen unter anderem mit Kongressvertretern sei entschieden worden, dass derzeit nicht die Voraussetzungen für eine Visite Blinkens in der Volksrepublik gegeben seien. Blinken wolle nach China reisen, "wenn es die Umstände zuließen". Der letzte Besuch eines US-Außenministers in China war 2017. Der Fernsehsender ABC News berichtete, Blinken wolle den Vorfall durch eine vollständige Absage der Reise nicht überbewerten. Er wolle aber auch nicht, dass er die Begegnungen in China dominiere.

TRUMP FORDERT ABSCHUSS DES BALLONS

Das US-Verteidigungsministerium erklärte, der Ballon schwebe in einer Höhe weit oberhalb des kommerziellen Flugverkehrs und stelle keine unmittelbare Bedrohung dar. Politisch sorgte die Entdeckung des Luftschiffs, das Experten zufolge ungefähr der Größe von drei Buslängen entspricht, in den USA aber für Aufruhr. Der republikanische Senator Tom Cotton hatte gefordert, Blinkens Reise abzusagen. Ex-Präsident Donald Trump, der 2024 wieder ins Rennen ums Weiße Haus einsteigen will, forderte auf seiner Social-Media-Plattform den Abschuss des Ballons.

Die Pekinger Führung versuchte, die Lage zu beruhigen. "China hat nicht die Absicht, das Territorium oder den Luftraum irgendeines souveränen Staates zu verletzen", sagte ein Regierungssprecher. Die Volksrepublik setze ihre Gespräche mit den USA fort, um die "unerwartete Situation" zu bewältigen.

USA: BALLON IST KLARE VERLETZUNG UNSERER SOUVERÄNITÄT

Der Vertreter des US-Außenministeriums erklärte vor Journalisten weiter, das Bedauern der chinesischen Seite sei zur Kenntnis genommen worden. "Aber die Anwesenheit dieses Ballons in unserem Luftraum ist eine klare Verletzung unserer Souveränität und des Völkerrechts, und es ist nicht hinnehmbar, dass dies geschehen ist."

Im vergangenen Sommer war es zu Spannungen zwischen beiden Ländern nach dem Taiwan-Besuch der damaligen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, gekommen. Seitdem bemühen sich die beiden größten Volkswirtschaften der Welt um eine bessere Kommunikation. Allerdings hat der Chef des US-Geheimdienstes CIA, William Burns, erst am Donnerstag davor gewarnt, die Taiwan-Ambitionen von Präsident Xi zu unterschätzen. Im Westen wird befürchtet, China könne militärisch gegen das demokratisch regierte Taiwan vorgehen, ähnlich wie es Russland mit der Ukraine getan hat. China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz.

Die eigentliche, von dem Ballon ausgehende Gefahr mit Blick auf Geheimdiensterkenntnisse wird in den USA offenbar gering eingeschätzt. Der Flugkörper sei in dieser Hinsicht nur von begrenztem Wert, sagte ein Vertreter der US-Regierung. Der Ballon wird seit seinem Auftauchen über den Aleuten - einer Inselkette zwischen Nordamerika und Asien - seit Tagen vom US-Militär verfolgt. Diese speziellen Ballons bewegen sich in Höhen zwischen 24 und 37 Kilometern. Der China-Experte der Stiftung zur Verteidigung von Demokratien, Craig Singleton, sagte Reuters, dieser Typ Ballon sei während des Kalten Krieges häufig von der Sowjetunion und den USA eingesetzt worden. Es sei eine vergleichsweise kostengünstige Form der Spionage.

(Geschrieben von Elke Ahlswede, redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)