- von Markus Wacket
Berlin (Reuters) - Die Bundesregierung ebnet den Weg für einen schnellen Verkauf der Anteile des russischen Rosneft-Konzerns an der Raffinerie Schwedt.
Anteile von Unternehmen, die unter Treuhand-Verwaltung stehen, sollten künftig direkt übertragen werden können, geht aus einem Gesetzentwurf des Wirtschaftsministeriums hervor, der der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag vorlag. Dies soll möglich sein, wenn es zur "Sicherung des Funktionierens des Gemeinwesens im Sektor Energie und zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit erforderlich ist", heißt es im Entwurf. Der Entwurf geht jetzt in die Abstimmung in der Regierung und soll zügig beschlossen werden.
Der Zwischenschritt einer formalen Enteignung des Unternehmens entfällt damit. Er ist im Energie-Sicherungsgesetz (Ensig) an hohe rechtliche Hürden geknüpft und würde im Falle Schwedt eine Übertragung der Rosneft-Anteile, die unter deutscher Treuhand stehen, erschweren. Damit erhalte der Bund mehr Spielraum bei Treuhandfällen, sagten Regierungsvertreter Reuters. Aktuell sei dieser eingeschränkt, wenn es um die Übertragung von Unternehmensgegenstände gehe. Verkäufe seien nach derzeitiger Rechtslage nur möglich, wenn es dem Werterhalt des Unternehmens diene.
Bertrand Malmendier, Rechtsvertreter von Rosneft, kritisierte das Vorgehen. Deutschland lasse sich von Polen erpressen, sagte er Reuters. "Für die Probleme von Schwedt ist nicht Rosneft verantwortlich, sondern politische Fehler." Wenn die Treuhandverwaltung nicht funktioniert oder rechtlich auf wackligen Füßen steht, bewegt sich die Regierung einen Schritt weiter weg von den Grundsätzen des Rechts." Bereits die Verstaatlichung von Gazprom Germania sei ein Fiasko. "Deutschland wird das nicht wiederholen wollen."
Der Staatskonzern Rosneft hält mit 54 Prozent die Mehrheit an der Raffinerie. Das Unternehmen hatte in der Vergangenheit Schwedt auch mit Rohöl aus Russland versorgt. Mit dem Embargo gegen russisches Öl seit Anfang des Jahres ist dieses Geschäftsmodell entfallen. Die Rosneft-Anteile sind unter der Treuhand, gehören rechtlich aber weiter dem russischen Unternehmen.
DAUERHAFTE VERSORGUNG SCHWEDTS BRAUCHT POLEN
Eine dauerhafte Versorgung von Schwedt gilt nun nur über den polnischen Hafen Danzig als möglich. Polen verlangt dafür aber einen Ausschluss von Rosneft aus Schwedt und dringt zugleich eine Beteiligung des polnischen Versorgers Orlen an der Raffinerie. Jenseits von Rosneft liegen weitere 37 Prozent der Anteile bei Shell und gut acht Prozent bei der italienischen ENI. Interesse an einem Einstieg in Schwedt haben auch deutsche Unternehmen wie Enertrag und Verbio.
Die PCK-Raffinerie Schwedt spielt mit seinen gut 3000 direkt und indirekt Beschäftigten für die Versorgung von Ostdeutschland mit Benzin und anderen Raffinerieprodukten eine zentrale Rolle. Aber auch Teile Westpolens werden ebenso wie der Flughafen Berlin-Brandenburg mitversorgt.
Derzeit kann Schwedt aber nicht mit voller Kapazität laufen: Über den Hafen Rostock und eine Pipeline erhält die Raffinerie Öl für etwa 60 Prozent. Schwedt müsste aber mindestens mit 70 Prozent Kapazität arbeiten - besser mehr, wie die deutsche Seite einräumt. Eine höhere Auslastung ließe sich erreichen, wenn Tanker in Danzig entladen würden und das Druschba-Leitungsnetz in polnischer Hand nutzten.
Die Landesregierung in Brandenburg ist besorgt, dass die geringe Auslastung von Schwedt zu höheren Spritpreisen in Ostdeutschland führen könnte. Für Montag hat sie daher zu einer Sondersitzung der Task-Force Schwedt mit dem Bundeswirtschaftsministerium geladen. Die Task-Force wurde gebildet, um die Lage in Schwedt aber auch der Raffinerie Leuna nach dem Öl-Embargo gegen Russland zu sichern.
(Weitere Reporterin: Riham Alkousaa; Redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)