Reuters

USA und Europa wollen Domino-Effekt nach Banken-Pleite verhindern

13.03.2023
um 13:17 Uhr

- von Marta Orosz und Frank Siebelt

Frankfurt (Reuters) - Nach dem Kollaps der kalifornischen Silicon Valley Bank (SVB) und den Maßnahmen in den USA zur Stabilisierung des Bankensystems sind auch die Behörden und die Märkte in Europa in Hab-Acht-Stellung.

In Frankfurt ordnete die Finanzaufsicht Bafin am Montag ein Moratorium über die deutsche Zweigstelle der SVB an, um die Vermögenswerte für die Gläubiger zu sichern. "Die Notlage der Silicon Valley Bank Germany Branch stellt keine Bedrohung für die Finanzstabilität dar", betonten die Aufseher. Dennoch beriet der nach der Finanzkrise 2008 eingerichtete Finanzkrisenstab der Bundesbank über mögliche Auswirkungen. Die EZB-Bankenaufsicht plante einem Insider zufolge dagegen kein Notfall-Treffen ihres Aufsichtsgremiums (SSB). An den Börsen sorgte die Pleite der SVB für Nervosität: Banken-Aktien sackten ab, der Dax stand zeitweise mehr als drei Prozent im Minus.

Die auf die Finanzierung von jungen Technologiefirmen spezialisierte SVB war in Schieflage geraten, weil sie die hohe Summen in langlaufende US-Staatsanleihen angelegt hatte. Deren Kurse sind durch die Zinserhöhungen der Notenbanken aber deutlich gesunken. Zur Auszahlung von Kundengeldern musste die SVB Anleihen verkaufen und Milliarden-Verluste inkauf nehmen. Eine Kapitalerhöhung zur Bilanzstärkung scheiterte. Kunden zogen Milliarden bei der Bank ab, die schließlich geschlossen wurde. Auch die in New York ansässige Signature Bank wurde dichtgemacht. In den USA will die US-Notenbank Fed mit einem neuen Kreditprogramm der Gefahr einer größeren Finanzkrise entgegenwirken. Die Banken sollen mit der neu geschaffenen Kreditlinie Bank Term Funding Program (BTFP) auch in Zeiten von Marktstress ausreichend Liquidität erhalten. US-Präsident Biden kündigte für den frühen Nachmittag ein Statement an.

KEINE BEDROHUNG FÜR DAS FINANZSYSTEM

In Großbritannien hat die SVB über eine Tochter ebenfalls zahlreiche Startups finanziert. Um diese zu schützen, übernahm die britische Großbank HSBC mit der Unterstützung der Bank of England die SVB-Tochter. Die Transaktion schütze die Kundeneinlagen, erklärte Finanzminister Jeremy Hunt. "HSBC ist die größte Bank Europas und die Kunden der SVB UK sollten sich von ihrer Stärke, Schutz und Sicherheit vergewissern." Für das Finanzsystem bestehe keine Gefahr. "Das britische Bankensystem ist extrem sicher und gut kapitalisiert", sagte Hunt. Auch Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire gab sich entspannt: "Wir beobachten die Situation in den USA, aber es gibt keinen spezifischen Alarm für das französische Bankensystem, das solide ist", sagte er dem Radiosender Franceinfo.

In Deutschland ist die SVB nur über eine Zweigstelle mit einer Bilanzsumme von rund 790 Millionen Euro vertreten. Zu ihren Kunden zählen etwa Hellofresh und Lilium. "Die Silicon Valley Bank Germany Branch hat keine systemische Relevanz", erklärte die Bafin. Die Finanzbehörde ordnete die Schließung des Kundenverkehrs an. Konsequenzen für die Einlagensicherung gebe es keine. Der deutsche Startup-Verband äußerte sich vorsichtig optimistisch, dass heimische Firmen mit einem blauen Auge davonkommen könnten.

Die Europäische Zentralbank (EZB), die 111 größere Banken im Euro-Raum überwacht, sah keinen Anlass für ein Krisentreffen, wie ein hochrangiger Insider sagte. Die Banken im Euro-Raum seien insgesamt finanziell gut ausgestattet. Sie hätten gute Arbeit geleistet bei der Übertragung von Vermögenswerten aus ihren Handelsbüchern in ihr Portfolio der bis zur Endfälligkeit gehaltenen Finanzinvestitionen. Damit seien diese vor steigenden Zinsen und sinkenden Kursen besser geschützt. Zudem besäßen Geldhäuser in der 20-Länder-Gemeinschaft eine viel konservativere Mixtur ihrer Vermögenswerte als die SVB.

MARKT BLEIBT DENNOCH BESORGT

Die Sorgen um die Folgen der SVB-Pleite treiben Anleger trotz der Maßnahmen der Behörden um. Der europäische Bankaktien-Index bröckelte um 4,7 Prozent ab, der Index der Finanzdienstleistungsunternehmen verlor 3,3 Prozent. Die US-Regulierer hätten die Einlagen der Kunden nach der Auflösung der SVB und der Signature Bank zwar gesichert, sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Handelshaus QC Partners. "Die große und entscheidende Frage ist jetzt, wie viele Banken folgen werden." Mit den Maßnahmen der US-Behörden und der Übernahme der britischen SVB-Tochter sei die Gefahr einer Bankenkrise zunächst gebannt, konstatierte RoboMarkets-Analyst Jürgen Molnar. "Nichtsdestotrotz bleibt das Problem hoher Buchverluste in den Anleiheportfolios der Banken bestehen und dürfte die Börse noch eine ganze Weile beschäftigen."

Unter Druck standen die Papiere der Commerzbank, die in Frankfurt in der Spitze mehr als zwölf Prozent abstürzten. Die Aktien der Deutschen Bank verloren fast acht Prozent. In Zürich sackten die Aktien der krisengeplagten Credit Suisse prozentual zweistellig auf ein Rekordtief von 2,115 Franken ab. Auch andere Geldinstitute wie BNP Paribas, Societe General, ING, Banco BPM oder UniCredit verloren zwischen vier und acht Prozent. Die Anleger in den USA zeigten sich dagegen nach den Maßnahmen der US-Behörden zunächst beruhigt. Die Aktien der Bank of America gewannen im vorbörslichen Handel an der Wall Street rund drei Prozent, JPMorgan kletterten um knapp zwei Prozent.

(Mitarbeit von Tom Sims und Zuzanna Szymanska; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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