Düsseldorf (Reuters) - Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia bekommt die Folgen hoher Zinsen, explodierender Baukosten und gestiegener Energiepreise zu spüren.
"Auch über der Immobilien-Branche ist ein Sturm aufgezogen", sagte Vonovia-Chef Rolf Buch am Freitag. Der Gegenwind macht sich bemerkbar: Der Gewinn aus dem operativen Geschäft (FFO) werde 2023 auf 1,75 bis 1,95 Milliarden Euro schrumpfen, nach knapp über zwei Milliarden Euro im Vorjahr. Vonovia will in der Krise das Geld zusammenhalten. Das bekommen auch die Anteilseigner zu spüren. Sie sollen für 2022 eine Dividende 0,85 Euro je Aktie erhalten nach 1,66 Euro im Jahr zuvor. Buch sprach von einem "Kompromiss". Vonovia-Aktien legten am Morgen leicht zu. Immerhin habe der Bochumer Branchenprimus anders als Wettbewerber die Dividende nicht ganz gestrichen, erklärten Analysten.
Buch erwartet, dass Vonovia dem Sturm trotzen kann. Die Nachfrage nach Wohnraum sei groß, 2022 verzeichnete Vonovia organische Mietsteigerungen von 3,3 (Vorjahr: 3,8) Prozent, die Leerstandsquote sank auf ein Rekord-Tief von zwei Prozent. Das Geschäftsmodell funktioniere, Vonovia werde auch in Zukunft Dividenden zahlen, sagte der Manager: "Wir bestätigen ausdrücklich unsere langfristige Dividendenpolitik. Sie steht nicht zur Disposition."
Die Immobilien-Konzerne sind gleich an zahlreichen Fronten unter Druck geraten. "Die Notenbanken (haben) weltweit die Zinsen in einer nie dagewesenen Geschwindigkeit erhöht", sagte Buch - in der Folge steigen die Kapitalkosten für die Konzerne, die sich Milliarden für Übernahmen in der Vergangenheit billig am Kapitalmarkt besorgen konnten. Vonovia war auch durch Zukäufe groß geworden, zuletzt hatten die Bochumer den Rivalen Deutsche Wohnen geschluckt. Damit ist seit längerer Zeit Schluss: "Wir haben frühzeitig auf das veränderte Umfeld reagiert", betonte Buch und predigt "Kapitaldisziplin". Die Zeit milliardenschwerer Übernahmen ist vorbei, Vonovia hat vielmehr Portfolien im Volumen von rund 13 Milliarden Euro auf die Verkaufsliste gesetzt. Finanzstarke Partner sollen an Bord geholt werden, Neubau-Projekte soll es wegen der hohen Baukosten erst einmal nicht mehr geben.
Zudem stehen weitere Milliarden-Investitionen an, um Gebäude klimaneutral zu machen. Vonovia steht damit nicht allein - mit Folgen für den strapazierten Wohnungsmarkt. Buch rechnet weiter damit, dass das Neubauziel der Ampel-Koalition von 400.000 Wohnungen jährlich verfehlt wird. Zahlen des Statistischen Bundesamts untermauern dies: Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen brach zu Jahresbeginn so stark ein wie seit fast 16 Jahren nicht mehr. Aber auch Bewertungsfragen machen den Konzernen zu schaffen. Über Jahre kannten die Immobilienpreise nur einen Weg - nach oben. Das hat sich geändert. Viele Firmen müssen die Bewertungen von Immobilien herunterschreiben. Im Dezember 2021 etwa lag der Verkehrswert des Vonovia-Portfolios ? bereinigt um Verkäufe, Zukäufe und Neubau ? noch bei 95,4 Milliarden Euro, im Dezember 2022 waren es nur noch 94,7 Milliarden Euro. Unter dem Strich schrieb Vonovia 2022 sogar trotz eines deutlich gestiegenen operativen Gewinns einen Verlust von knapp 670 Millionen Euro.
Zahlreiche Konzerne schnallen nun den Gürtel enger. Der kleinere Konkurrent LEG Immobilien hatte die Dividende für 2022 komplett gestrichen - ebenso wie etwa der Rivale Grand City. "Uns hat auch in der Wohnimmobilienbranche die Zeitenwende erfasst", hatte LEG-Chef Lars von Lackum gesagt: "Wir wollen lieber auf Nummer sicher gehen, als (..) die Dividendenzahlung später zu bereuen." Dabei galten Wohnimmobilien-Aktien eigentlich wegen des vermeintlich krisensicheren Geschäftsmodells bei Investoren als verlässlicher Dividendenbringer. Aber auch die Kurse der Konzerne sind in der Krise eingebrochen - Vonovia-Aktien notierten etwa noch vor einem Jahr bei über 48 Euro, jetzt kostet ein Anteilsschein noch knapp 20 Euro. Das könnte sich aber auch wieder ändern. Nach einer Studie der Beratungsgesellschaft Kirchhoff herrscht bei Analysten verhaltender Optimismus für Immobilien-Aktien, lägen die Kurse doch mehr als 65 Prozent unter dem Substanzwert der Unternehmen.
Vonovia belasten auch Probleme im eigenen Haus. Jüngst hatten Ermittler die Zentrale in Bochum durchsucht. Die Staatsanwaltschaft Bochum hatte erklärt, sie führe ein Ermittlungsverfahren, "das strafbare Handlungen zum Nachteil von zwei in Bochum und Süddeutschland ansässigen Wohnungsunternehmen zum Gegenstand hat". Buch bekräftigte, Vonovia sehe sich als Geschädigte an. Nach derzeitigen Erkenntnissen hätten die Vorwürfe "keine wesentlichen Auswirkungen" auf Vermögens- und Ertragslage Vonovias. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte untersucht die Vorgänge im Auftrag Vonovias.
(Bericht von Matthias Inverardi, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich an die Redaktionsleitung unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)