Reuters

Ukraine will Prozess in Abwesenheit gegen Putin vor Sondertribunal

23.03.2023
um 17:37 Uhr

Den Haag/Budapest (Reuters) - Präsident Wladimir Putin und anderen führenden Vertretern Russlands sollte wegen der Invasion aus Sicht der Ukraine vor einem Sondertribunal der Prozess gemacht werden.

"Ich glaube, dass er in Abwesenheit (der Angeklagten) geführt werden könnte", sagte der Generalstaatsanwalt der Ukraine, Andrij Kostin, am Donnerstag Reuters am Rande eines Besuchs des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag. Es sei wichtig, internationale Verbrechen zu ahnden, auch wenn die Täter nicht auf der Anklagebank säßen.

Der IStGH hat zwar vergangenen Freitag Haftbefehl gegen Putin wegen des Vorwurfs von Kriegsverbrechen erlassen. Internationale Gerichte haben aber bislang nur in äußert seltenen Fällen Prozesse in Abwesenheit der Angeklagten geführt. Zudem müssen nach den Regeln des Strafgerichtshofs Angeklagte anwesend sein. International wächst jedoch die Unterstützung für ein Sondertribunal, vor dem sich die russische Führung wegen des Angriffskrieges verantworten müsste. Dieser Vorwurf fällt nicht in die Zuständigkeit des IStGH, der Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord ahnden kann, nicht aber sogenannte Verbrechen der Aggression.

Aus Sicht des IStGH besteht der dringende Verdacht, dass Putin verantwortlich für die Deportation ukrainischer Kinder und die Verschleppung von Ukrainern in die russische Föderation ist. Der Strafgerichtshof verfügt über keine eigenen Polizeikräfte und ist darauf angewiesen, dass seine 123 Mitgliedsstaaten Verdächtige festnehmen und nach Den Haag überstellen.

UNGARN VERWEIGERT VERHAFTUNG PUTINS

Ungarn will den Haftbefehl ignorieren. Putin würde nicht verhaftet, wenn er nach Ungarn käme, sagte der Stabschef von Ministerpräsident Viktor Orban, Gergely Gulyas, am Donnerstag. Ungarn hat zwar das Römische Statut als vertragliche Grundlage des IStGH ratifiziert. Es sei aber nicht in das ungarische Rechtssystem integriert worden, sagte Gulyas. Auf Basis des ungarischen Rechts könne Putin nicht verhaftet werden.

Auf Nachfrage sagte Gulyas, die Regierung in Budapest habe sich zu dem Haftbefehl gegen Putin keine Meinung gebildet. Seine persönliche Meinung sei aber, dass diese Entscheidungen nicht sehr glücklich seien, da sie die Dinge in Richtung einer weiteren Eskalation und nicht in Richtung Frieden führten.

Russland hat den Haftbefehl gegen Putin in scharfer Form zurückgewiesen. Am Montag hatte Russlands oberste Ermittlungsbehörde ein Strafverfahren gegen den IStGH-Chefankläger eingeleitet. Betroffen sind auch die Richter, die den Haftbefehl ausgestellt hatten.

(Bericht von Krisztina Than, Anthony Deutsch und Stephanie van den Berg, geschrieben von Christian Götz und Hans Busemann, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)