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Fed und EZB unterwegs zum Zinsgipfel - Bankenbeben verkürzt den Weg

24.03.2023
um 10:52 Uhr

- von Reinhard Becker und Frank Siebelt

Berlin/Frankfurt (Reuters) - Nach einer Serie geldpolitischer Straffungen im Kampf gegen die Inflation könnten die Zinsen auf beiden Seiten des Atlantiks ihren Höhepunkt bald erreicht haben.

Das hat auch mit dem jüngsten Bankenbeben zu tun, das laut US-Notenbankchef Jerome Powell die Kreditkonditionen verschärft und damit der Zentralbank einen Teil der Arbeit abnimmt. Denn die Fed will ähnlich wie die Europäische Zentralbank (EZB) den Preis des Geldes hoch treiben, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage damit dämpfen und somit auch den Preisauftrieb in Schach halten. Nach der neunten Zinsanhebung in Folge in den USA und einem Zinsniveau von mittlerweile 4,75 bis 5,00 Prozent wird die Luft auf dem Weg nach oben immer dünner: "Offensichtlich ist der Zinsgipfel in Reichweite", so die Commerzbank-Ökonomen Bernd Weidensteiner und Christoph Balz.

Darauf deutet auch der aktualisierte sogenannte Dot Plot hin, also die Erwartungen der Fed-Mitglieder hinsichtlich des angemessenen Leitzinspfades. Für Ende 2023 peilen sie einen Leitzins von 5,1 Prozent an. Analyst Bernd Krampen von der NordLB erwartet, dass sich die Erhöhungsserie in den USA ihrem Schlusspunkt nähert: "Bei Zinsanhebungen könnte bald das Ende der Fahnenstange erreicht werden, wenn es die Inflation erlaubt." Bereits am 3. Mai - also der nächsten Zinssitzung - könnte der Gipfel erklommen sein.

DIW-Chef Marcel Fratzscher konstatiert, dass sich die Fed für einen langsameren Kurs der Zinserhöhungen entschieden habe, nachdem die globalen Kapitalmärkte die Turbulenzen um die Notübernahme der Schweizer Großbank Credit Suisse bisher scheinbar ohne größere Probleme bewältigen konnten.

Doch auch wenn keine große Finanzkrise heraufzieht, ist die Gefahr einer Rezession in den USA nicht gebannt. Für die Fed gilt es auf dem weiteren Zinspfad auch zu bedenken, dass die Erhöhungen mit Zeitverzögerung wirken. Laut Thorsten Polleit, Chefvolkswirt bei Degussa Goldhandel, kann man die unerwünschten Folgen der in recht kurzer Zeit stark erhöhten Zinskosten beispielsweise an den jüngsten Turbulenzen im US-Bankenmarkt und den Notkrediten sehen, die die Fed einzelnen Banken verabreicht.

ZINSERHÖHUNGEN DER EZB GREIFEN

Auch in der Euro-Zone beginnen die Zinserhöhungen im Kampf gegen die hohe Inflation laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde allmählich zu wirken. "Die Kreditkosten ziehen merklich an, und die Kreditdynamik scheint sich rascher abzuschwächen als in früheren Zinserhöhungszyklen," merkte sie unlängst an. Sechs Zinsanhebungen waren es bereits seit Juli 2022 - ein Anstieg um insgesamt 3,50 Prozentpunkte. Das von den USA ausgehende Bankenbeben, das auch die Aktien der Geldhäuser der Euro-Zone mit in den Keller trieb, könnte laut Experten sogar einen zusätzlich dämpfenden Effekt haben. Das niederländische EZB-Ratsmitglied Klaas Knot hält es für denkbar, dass die noch zurückzulegende Wegstrecke auf dem Zinspfad womöglich neubewertet werden müsse.

"Nach den aktuellen Ereignissen wird die EZB die geldpolitische Straffung zumindest verlangsamen, auch wenn die Inflation noch nicht vollständig mit dem Ziel übereinstimmt", meinen die Anleihen-Experten Sam Vereecke und Lowie Debou vom Vermögensverwalter Degroof Petercam Asset Management (DPAM). Die Euro-Notenbank werde lieber auf Nummer sicher gehen und abwarten bis die Geldpolitik voll durchschlage, als etwas zu bereuen. "Die EZB wird versuchen, die Wahrscheinlichkeit einer falschen Entscheidung zu mindern, um nicht die Geldpolitik hinterher stärker lockern zu müssen, als sie gestrafft wurde." Zuletzt hatte die EZB Mitte März die Zinsen trotz der Turbulenzen um 0,50 Prozentpunkte nach oben gesetzt.

ZINSHÖHEPUNKT IM EURORAUM BEI 3,4 PROZENT?

Der an den Finanzmärkten richtungsweisende Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt damit aktuell bei 3,00 Prozent. Aus Sicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel müssen auf den kommenden Sitzungen weitere Erhöhungen folgen, sollte sich die Inflation wie vorausgesagt entwickeln. EZB-Volkswirte erwarten für dieses Jahr nach ihren jüngsten Prognosen immer noch eine Teuerung von 5,3 Prozent, die damit noch weit über dem EZB-Ziel von 2,0 Prozent liegen würde.

Doch wie stark weitere Schritte ausfallen, ist die große Frage. "Im Moment spricht vieles für eine Erhöhung um 25 Basispunkte am 4. Mai", schreiben die Experten der LBBW zur anstehenden nächsten Zinssitzung. Am Geldmarkt haben Investoren Spekulationen auf weitere Zinserhöhungen deutlich zurückgeschraubt. Dort wird der Zinshöhepunkt im Sommer bei etwa 3,4 Prozent erwartet. Noch vor den Marktturbulenzen war mit einem Zinsgipfel bei über vier Prozent gerechnet worden.

(Bericht von Reinhard Becker, Frank Siebelt; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)