Reuters

Scholz rechnet mit grundsätzlich neuem Umgang mit China

24.03.2023
um 16:57 Uhr

- von Andreas Rinke

Brüssel (Reuters) - Bundeskanzler Olaf Scholz rechnet damit, dass die Diversifizierung der Wirtschaft vom chinesischen Markt bereits angelaufen ist, aber zwei Jahrzehnte dauern kann.

"Wir sind gegen ein De-Coupling und für De-Risking", sagte Scholz nach dem EU-Gipfel in Brüssel am Freitag. Der Prozess, Abhängigkeiten bei Lieferketten, Absatzmärkten und Direktinvestitionen abzubauen, habe seit dem russischen Angriff auf die Ukraine bereits bei vielen Firmen eingesetzt. "Das findet jetzt statt und wird glaube ich die nächsten ein, zwei Jahrzehnte bestimmen", fügte er hinzu. Derzeit würden in den Unternehmen "Millionen Entscheidungen" in diese Richtung getroffen. "Das ist das, was wir unterstützen", betonte er.

Die Bundesregierung erarbeitet gerade eine China-Strategie, die diese Diversifizierung unterstützen und einen kritischeren Kurs gegenüber Peking festschreiben soll. Scholz betonte, dass die EU mit der Einordnung Chinas sowohl als Partner, Wettbewerber als auch Systemrivale eine "Dreieinigkeit" im Ansatz definiert habe. Die Regierung will einerseits Hilfen für Firmen im China-Geschäft wie Exportgarantien streichen, andererseits aber den Handel mit anderen asiatischen Ländern fördern. Scholz treibt zudem die Zusammenarbeit mit Demokratien weltweit voran. Erst am Wochenende hatten deshalb deutsch-japanische Regierungskonsultationen in Tokio stattgefunden. Hintergrund ist bei allen Aktivitäten die Sorge vor einer zu großen Abhängigkeit von autoritären Staaten wie Russland oder China.

Ein Sprecher der EU-Kommission teilte mit, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Anfang April zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron nach China fliegen werde. Im vergangenen Jahr hatte Scholz Peking besucht. Davor hatte es eine Debatte gegeben, ob nicht der Kanzler und der französische Präsident gemeinsam fliegen sollten. Dafür war kein Termin gefunden worden. Deutschland war in der EU mehrfach eine Sonderbeziehung zu China vorgeworfen worden. In diesem Jahr werden noch deutsch-chinesische Regierungskonsultationen stattfinden, bei denen der neue Ministerpräsident Li Qiang mit mehreren Ministern nach Berlin reisen wird. Angedacht ist als Zeitpunkt der Frühsommer.

Der Kanzler betonte in Brüssel, dass er derzeit keine Änderung etwa des IT-Sicherheitsgesetzes für nötig halte, um Abhängigkeiten von chinesischen Bauteilen in Mobilfunknetzes zu reduzieren. Auf eine entsprechende Frage sagte er in Brüssel, dass bereits in der letzten Legislaturperiode die gesetzliche Grundlage geschaffen worden seien, um die Netze ständig überprüfen zu können. Hintergrund ist die Anweisung des Bundesinnenministeriums, bis Sommer zu prüfen, ob in dem 5G-Mobilfunknetz Bauteile unter anderem der chinesischen Hersteller Huawei und ZTE verbaut sind, die als gefährlich eingestuft werden könnten.

(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)