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Scholz sieht "sehr gute Fortschritte" bei Ampel-Koalitionsausschuss

28.03.2023
um 07:22 Uhr

- von Andreas Rinke und Christian Krämer

Berlin/Rotterdam (Reuters) - Die Ampel-Regierung hat sich trotz einer nächtlichen Marathonsitzung im Kanzleramt bei zahlreichen Streitthemen nicht einigen können.

SPD, Grüne und FDP teilten nach fast 20-stündigen Verhandlungen am Montagnachmittag mit, der Koalitionsausschuss habe seine Beratungen unterbrochen und sich auf Dienstag vertagt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach danach dennoch von "sehr guten" Fortschritten, ohne jedoch Details zu nennen. Oppositionsführer Friedrich Merz warf der Regierung vor, sich immer wieder gegenseitig zu blockieren.

"Wir haben in den Beratungen sehr, sehr gute Fortschritte erzielt", sagte Scholz am Flughafen Rotterdam vor deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen, die bis in den Abend dauerten. Die bisherigen Gespräche seien eine gute Grundlage, um sie am Dienstag fortzusetzen. Ziel der Gespräche am Dienstag sei es, "sehr klare Festlegungen zu treffen, dass wir das nötige Tempo erreichen", sagte er mit Blick auf die Energienetze. Es müssten Hunderte Milliarden Euro investiert werden. Mit dem bisherigen Tempo gehe dies nicht.

Scholz ergänzte, es sei innerhalb der Ampel eine Verständigung zur Modernisierung des Landes gewonnen worden. Viele Jahrzehnte sei es in Deutschland zu langsam vorangegangen. "Das muss sich ändern und das wird sich auch ändern." Deutschland brauche jetzt einen Schub nach vorne. Das spricht für ein ganzes Maßnahmenpaket, während im Vorfeld eher von wenigen Entscheidungen ausgegangen worden war.

Scholz war am Nachmittag zusammen mit etlichen Ministern wie Vize-Kanzler Robert Habeck, Finanzminister Christian Lindner, Außenministerin Annalena Baerbock, Verkehrsminister Volker Wissing, Verteidigungsminister Boris Pistorius und Justizminister Marco Buschmann nach Rotterdam aufgebrochen. Mehrere Termine des Kanzlers für Dienstagvormittag und auch den frühen Nachmittag wurden abgesagt.

"REGIERUNG FUNKTIONIERT" ODER "STEHEND K.O."?

Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte am Vormittag in Berlin noch die Erwartung geschürt, dass es zeitnah Ergebnisse geben könnte. Ein Ende der Beratungen sei absehbar, hatte er gesagt. Es werde auch ein gutes Ergebnis geben. "Die Regierung läuft und funktioniert." In einer knappen Mitteilung der drei Ampel-Parteien hieß es, die Gespräche seien vertrauensvoll und konstruktiv gewesen.

Die Spitzen der Ampel-Parteien hatten seit Sonntagabend 18.30 Uhr im Kanzleramt beraten. Dabei sollte es vor allem um eine Planungsbeschleunigung von Infrastrukturvorhaben und einen stärkeren Klimaschutz gehen. Auch das ab 2024 vorgesehene Aus für den Einbau neuer Gas- und Ölheizungen sollte zur Sprache kommen.

Die erste Ampel-Koalition im Bund war zuletzt in einer schwierigen Phase. Zahlreiche Vorhaben kamen nicht voran, weil es regierungsintern keine Verständigung gab. Gegenseitige öffentliche Vorwürfe waren die Folge. Bundesfinanzminister und FDP-Chef Lindner musste die Eckpunkte für den Haushalt 2024 verschieben, weil die Vorstellungen der Partner zu weit auseinander lagen. Grünen-Politiker und Bundeswirtschaftsminister Habeck hatte vergangene Woche die Arbeit der Koalition mit scharfen Worten kritisiert. Notwendige Entscheidungen zum Erreichen der Klimaschutzziele würden verschleppt.

Die Bundesregierung sei stehend K.o., sagte CDU-Chef Merz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Diese Regierung wurde gewählt, damit sie das Land regiert und nicht untereinander blockiert. Anstatt endloser Streitigkeiten braucht es jetzt Entscheidungen ? zum Wohle unseres Landes." Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt, sprach gegenüber dem TV-Sender "Welt" von einer "Streik-Ampel". "Das ist ja Arbeitsverweigerung, wenn man nach so vielen Stunden schlichtweg kein Ergebnis hat." Von der Ampel sei nicht mehr viel zu erwarten. Linken-Chef Martin Schirdewan sagte dem Nachrichtenportal t-online, die Regierung präsentiere den Bürgern "einen großen Sack voll mit nichts".

Scholz betonte am Abend in Rotterdam, dass er in der Nacht nicht geschlafen habe. "Ich habe nicht schlafen können und es geht mir ganz gut", sagte er auf eine entsprechende Frage in Rotterdam. Die von der Ampel-Koalition in den vergangenen Monaten mehrfach betonte Aussage, man wolle keine Nachtsitzungen, spielte er herunter. Er habe in etlichen Koalitionen an so langen Sitzungen teilgenommen. "Das gehört dazu." Auch der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte, der eine Koalition mit vier Parteien anführt, betonte, dass einige Themen nur durch lange Gespräche gelöst werden könnten.

(Weitere Reporter: Holger Hansen und Alexander Ratz, redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)